„Wir wollen Design nah am Menschen machen.“

Der angehende Industriedesigner Michel Pieczynski hat in einer bahnbrechenden Designstudie an der Hochschule Magdeburg-Stendal das MRT-Bildgebungsverfahren neu erfunden. Dafür hat er im Juni den international renommierten iF Design Student Award erhalten.

Masterstudent Michel Pieczynski (Studiengang Master Engineering Design) und sein Professor Jan Bäse erklären im Interview, wie der Next Gen MRT Scanner in Zukunft minimalinvasive Eingriffe erleichtern, Behandlungszeiten verkürzen sowie Patientinnen und Patienten das Leben maßgeblich erleichtern könnte.

Herr Jan Bäse, Herr Michel Pieczynski, stellen Sie sich und Ihr Projekt zu Beginn des Gesprächs bitte einmal kurz vor.
Michel Pieczynski: Ich habe gerade mein Studium in Industriedesign an der Hochschule Magdeburg-Stendal abgeschlossen. Jan Bäse war mein Professor und das Projekt Next Gen Interventional Magnetic Resonance Scanner meine Masterarbeit. Es ist kein fertig entwickeltes Gerät, sondern eine Designstudie. Im Kern geht es darum: Ich habe mich gefragt, wie der lineare Ablauf von Diagnose und anschließender Behandlung effizienter, einfacher und schneller werden kann – für Arzt und Patient. Darüber hinaus lag der Fokus auf der Verbesserung der physischen Erreichbarkeit der Patient:innen. Das Ergebnis ist der Next Gen MRT Scanner. Oder auf Deutsch: Ein MRT der nächsten Generation. 

Und was genau ist ein MRT?
Jan Bäse: MRT steht für Magnetresonanztomographie. Es ist so etwas ähnliches wie ein Röntgengerät, das aber in erster Linie Strukturen im Weichteilgewebe sichtbar macht. Mithilfe eines sehr starken Magnetfelds werden die Protonen im menschlichen Körper ausgerichtet – das Zurückkehren in ihren Grundzustand kann dann gemessen werden. So lassen sich Veränderungen in Organen oder der Muskulatur erkennen. Und das ist zum Beispiel sehr wichtig für die Krebsdiagnostik und -therapie. Röntgen- und CT-Geräte, also Kernspintomographie, hingegen arbeiten mit Strahlung, die den Körper durchdringt. Sie werden benötigt, um Knochen zu untersuchen.

Ihre Designstudie des Invasiven MRTs der nächsten Generation hat beim iF Design Student Award im Juni in Istanbul den Preis gewonnen – herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Pieczynski: Der iF Design Award ist einer der zwei wichtigsten Designpreise der Welt. Er wird von der iF International Forum Design GmbH aus Deutschland verliehen und richtet sich an Unternehmen. Ich habe in der Studentenkategorie im Bereich Good Health und Wellbeing der Sustainable Development Goals gewonnen. Durch die vielen verschiedenen Disziplinen, in denen teils mehrere Awards vergeben werden, gibt es in diesem Jahr mehr als 70 Preisträger. Und einer davon bin ich jetzt. Genau genommen habe ich sogar zwei Awards, denn in der Kategorie Clean Water and Sanitation wurde ebenfalls eine Arbeit von mir prämiert. Darüber freue ich mich sehr!

Wie lief der Bewerbungsprozess ab, wer waren Ihre Konkurrentinnen und Konkurrenten?
Bäse:Es werden dort jährlich rund 10.000 Projekte eingereicht – aus allen verschiedenen Designdisziplinen. In welchem Stadium seiner Arbeit ein Student sich bewirbt, richtet sich oft nach den entsprechenden Fristen. Es müssen aber Projekte sein, die abgeschlossen oder zumindest weit fortgeschritten sind. Mit bloßen Ideen oder Luftschlössern braucht da keiner zu kommen. (lacht)

Wie werden Sie das Preisgeld und die Aufmerksamkeit, die Sie durch den Award erhalten haben, einsetzen? Gibt es schon konkrete Pläne für die Zukunft?
Pieczynski: Ich werde mich mit der Aufmerksamkeit begnügen müssen, denn ein Preisgeld gibt es nicht. Aber das ist auch nicht so wichtig – ich habe ja auch keine Investitionen wie ein Unternehmen, das ein Produkt auf den Markt bringen will.

Bäse: Das Renommee solcher Awards ist wirklich bedeutend. In Asien kennt beinahe jedes Kind den iF Design Award – er hat dort einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Auch die Verbindungen, die sich daraus ergeben, das „Networking“, können für Studenten von unschätzbarem Wert sein.

Wie sind Sie auf die Idee zum Next Gen Interventional Magnetic Resonce Scanner gekommen?
Bäse: DieHochschule Magdeburg-Stendal arbeitet eng mit dem Forschungscampus Stimulate zusammen, der sich auch in Magdeburg befindet. Denn der Ansatz unserer Hochschule ist: Theorie und Praxis zusammenbringen, um Konzepte zu entwickeln, die für einen echten Mehrwert sorgen können.

Pieczynski: Genau! Ich war auf der Suche nach einem Thema für meine Masterarbeit und bin mit Forschenden aus dem Bereich Medizin in Kontakt gekommen. In unseren Gesprächen hat sich herausgestellt, dass ein ganz realer Bedarf an einem Gerät besteht, mit dem Ärzte MRT-Diagnostik und Eingriff miteinander verknüpfen und so einfacher und effizienter gestalten können.

Es handelt sich mehr um ein neues Arbeitsplatzdesign, nicht eine neue MRT-Technologie an sich, richtig? Was ist das Besondere an Ihrer Studie?
Pieczynski: Richtig, ich habe nicht den Tomografen neu erfunden, sondern durch mein Design Diagnostik und operativen Eingriff zusammengeführt. Vereinfacht heißt das: Der Arzt kann unter besseren anthropometrischen Bedingungen einen Eingriff vornehmen, während das MRT arbeitet und Bilder in Echtzeit liefert. Dazu habe ich die Magnetspulen in einem Bodenelement unter und in einem Deckenelement über dem Patienten angeordnet. Die berüchtigte Röhre, die viele kennen, wird dadurch überflüssig. Der Arzt kann von der Seite in einem 360-Grad-Bereich am Patienten arbeiten, während das MRT in Betrieb ist. Zusätzliche Spulen befinden sich in säulenförmigen Elementen, ebenfalls über und unter dem Patienten.

Bäse: Die Abschirmung gegen das Magnetfeld befindet sich zwischen den Stützpfeilern, sodass die gesamte Einheit flexibel aufgestellt werden kann. Zudem muss nicht länger der gesamte Raum abgeschirmt werden, während das MRT läuft. Das war bisher nötig, denn das Magnetfeld ist so stark, dass Gegenstände aus Metall durch den gesamten Raum fliegen würden.

Was sind die wichtigsten Verbesserungen Ihres Designs?
Pieczynski: Bisher waren Diagnose und Operation zwei komplett voneinander getrennte Prozesse. Patienten werden heute mehrmals „in die Röhre geschoben“, bevor überhaupt ein Eingriff stattfindet. Das ist sehr langwierig und für die oft schwer kranken Patienten auch eine große psychische Belastung. Darüber hinaus ist es teuer und verlängert den Prozess von Bildgebung über Diagnose bis zum Eingriff enorm. Mit meinem Design können sogenannte minimal invasive Eingriffe wie eine Biopsie oder Tumorablation (Entnahme von Gewebeproben, Überhitzung und Erfrierung von Tumorgewebe, Anm. d. Red.) während der Bildgebung vorgenommen werden.

Wann wird der erste Next Gen Interventional Magnetic Resonace Scanner in einem Krankenhaus stehen?
Pieczynski: (lacht) Das würde ich natürlich allzu gern sehen! Aber zunächst ist es eine Studie und bis zur Verwirklichung werden sicher noch einige Jahre vergehen. Aber die Mediziner, mit denen ich gesprochen habe, haben gesagt, dass ein solches Gerät ihre Arbeit maßgeblich erleichtern und das Leben für die Patienten sehr viel angenehmer machen würde. Und das macht mich stolz. Außerdem habe ich für die Studie ausschließlich Komponenten verwendet, die heute in ähnlicher Form auf dem Markt sind. Es wäre also möglich, den Next Gen MRT Scanner sofort zu entwickeln und normgerecht auszulegen.

Wie wichtig sind Ihre Heimat und Ihre Region in Ihrem Leben/für Ihre Arbeit? Pieczynski: Was ich an Magdeburg am meisten schätze: Hier sind Theorie und Praxis, Hochschule und Anwendungsbereich eng miteinander vernetzt. So entstehen realitätsnahe Projekte, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren – und weniger Designluftschlösser.

Bäse: Sachsen-Anhalt ist eine Region der kurzen Wege, in der sich so manches Projekt zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft aufgrund der Nähe zueinander einfacher realisieren lässt als in vielen Großstädten.

 

Foto: Michel Pieczynski

 

Mehr Infos zum Studiengang: https://www.instagram.com/master_engineering_design/