Geheimtipps aus Sachsen-Anhalt

Kreative aus sechs Unternehmen haben sich zusammengeschlossen, um einzigartigen Läden, Gaststätten und Handwerkskünsten hierzulande ein Gesicht zu geben.

UNESCO-Welterbe, Schlösser, Dome, Salzwedeler Baumkuchen und Halloren-Kugeln. Wer kennt sie nicht? Aber was ist mit den kleinen, feinen Geschäften abseits großer Routen? Was ist mit dem individuellen Kunsthandwerk? Und mit den Geschichten, die hinter liebevoll sanierten Gemäuern stecken, mit den Menschen, die mit ihren Visionen begeistern? Ein Zusammenschluss von Kreativen widmet sich diesen Fragen und rückt mit dem Cross-Innovation-Projekt „Geheimtipp Sachsen-Anhalt“ ins Rampenlicht, was künftig mehr sichtbar sein soll. 

In der altmärkischen Kleinstadt Tangermünde gibt es dieses große Anwesen. Lange stand es leer, das alte Gehöft mit dem Brauereigebäude. Seit 1917 nagte der Zahn der Zeit daran. Fast genau 100 Jahre später wurde hier – mitten im historischen Stadtkern – wieder Bier gebraut. Mit viel Liebe zum historischen Handwerks-Detail und regionaler Verbundenheit. Zufälle, Enthusiasmus und Leidenschaft sind die Zutaten für eine sachsen-anhaltische Erfolgsgeschichte, die Familie Schulz jetzt schreibt, nach Jahren voller Engagement und dem unerschütterlichen Glauben: „Wir schaffen das.“ Sie hat Recht behalten, die Brauereikunst im Altmarkstädtchen wiederbelebt und eine Gaststätte nebst Hotel aufgebaut. Es sind genau solche Orte und Geschichten, die eine Gruppe lokalpatriotischer Kreativer beleuchtet und damit ins Rampenlicht rückt. „Bei uns im Land gibt es außergewöhnliche Läden, Restaurants und Handwerkskunst. Es wissen nur leider selten viele Menschen davon“, sagt Melanie Hofer, die gemeinsam mit Anja Krause die Marketingagentur „4 visions mediagroup“ führt. Diese wiederum gehört zu einem Netzwerk, das sich auf die Fahne geschrieben hat, „Sachsen-Anhalts Geheimtipps“ zu sammeln und zu präsentieren: Inhabergeführte Geschäfte, Handwerksbetriebe, Gastronomie, Einzelhandel haben die im Fokus, die sich im Jahr 2017 zusammengefunden haben.

„Der Funke war übergesprungen, wir wollten das Projekt größer machen.“

Die Idee fürs Projekt wurde geboren, als Anja Krause und Melanie Hofer 2016 ihrem eigenen Conzept Store feststellten, wie schwierig es ist, sich als kleiner Einzelhändler sichtbar zu machen. Das kreative Duo baute eine Webseite, besuchte kleine Geschäfte und war offen „für alle, die etwas zu erzählen hatten“, wie sich Anja Krause erinnert. In einem Blog und einer kleinen Broschüre erzählten sie die Geschichten von Magdeburger Machern, zeichneten Porträts von denen, die Herzblut in ihren Laden fließen lassen. Sie bekommen von einer Bekannten den Tipp, sich für die Cross-Innovation-Förderung zu bewerben – und dazu die Empfehlung, das Projekt auf Sachsen-Anhalt auszuweiten. „Fördermittel zu beantragen, war für uns Neuland“, erinnert sich Melanie Hofer. „Aber der Funke war übergesprungen, wir wollten das Projekt größer machen und über den Tellerrand schauen.“ Das Duo suchte sich darum Partner/-innen. „Im Netzwerk zu arbeiten, war uns nicht fremd“, so Anja Krause. „Es lohnt sich immer, Kompetenzen zu bündeln.“ Um das Projekt „Geheimtipp Sachsen-Anhalt“ mit der Cross-Innovation-Förderung ins Rollen zu bringen, holten sie sich den Filmemacher Torsten Porstmann von der „Porstmann Filmproduktion Magdeburg“, den freien Fotografen Michael Palatini, Jana Fischer, Ladeninhaberin von „Janasch’s – Designbuchhandlung und Papeterie“, Anja Uebe von „Livland“ und Richard Bade von der „River Byte UG“ als Fachmann für Softwarelösungen und App-Entwicklungen mit ins Boot.

„Wir wollten nachhaltig etwas aufbauen.“

„Beim Start in der konzeptionellen Phase haben wir gemerkt, wie spannend es ist, wenn jeder seine Sicht einbringt“, erinnert sich Anja Krause. Aber: Es wurde auch wichtig für das Team, sich zu fokussieren. „Wir hatten so viele Ideen“, sagt Richard Bade, „waren uns dann schließlich einig, dass eine App hilfreich sein könnte und wir eine Webseite aufbauen müssen“. Viele Netzwerk-Treffen folgten. Ein Erzähl-Konzept wurde entwickelt. „Wir wollten die außergewöhnlichen Geschichten nicht einfach aufschreiben, sondern tief hineingehen und in einem Magazin-Charakter erzählen“, erklärt Melanie Hofer. „Darum waren in der Planung auch die Bildsprache und die Gestaltung sehr wichtig.“ Am liebsten wären sie aber sofort losgefahren, „weil sich so schöne Geschichten auftaten“, erinnert sie sich.

Mit der Förderung im Hintergrund sollte jedoch mehr entstehen als eine Sammlung von Porträts. „Wir wollten etwas aufbauen, wovon die Händler, Handwerker und Gastronomen auch nachhaltig profitieren“, sagt Melanie Hofer. Entstanden ist eine Webseite, parallel dazu wurde ein Marktplatz entwickelt, auf dem sich die Betreiber/-innen der „Geheimtipps“ online präsentieren und ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten können. „Leider ist es so, dass in kleinen inhabergeführten Betrieben die Zeit und Mittel fehlen, selbst eine Online-Präsenz aufzubauen. Auf unserem Portal funktioniert das jedoch mit unserer Unterstützung ganz unkompliziert“, erklärt Bade. Bald soll auch die passende App zum Online-Magazin fertig sein. Gebündelt werden dann auf dem Portal die Porträts, Bilder, Kontaktdaten, ein Marktplatz mit der Möglichkeit bei den regionalen Anbieter/-innen zu bestellen.

„Die Umsetzung gelingt, weil jeder von uns viel Herzblut ins Projekt packt.“

„Ohne die Förderung wäre das alles nicht entstanden, mit der Unterstützung vom Land konnten wir alle Entwicklungskosten abdecken“, sagt Anja Krause, „Cross Innovation war der richtige Anschub, die Umsetzung gelingt jedoch vor allem, weil jeder von uns viel Herzblut ins Projekt packt“. Schöner Nebeneffekt: „Daraus ist ein unglaublich schönes Miteinander gewachsen“, sagt Melanie Hofer. Im Netzwerk spricht man inzwischen schon von einer „Geheimtipp-Familie“. Zu der gehören nicht nur die Akteure im Projekt-Zusammenschluss, sondern auch alle, die für das Portal ausgewählt werden. Das Redaktionsteam sammelt die Tipps, die aus vielen Richtungen kommen, klopft bei der Vor-Recherche ab, „ob das eine schöne Geschichte ist und ein Konzept hinter dem Geschäft steckt“, sagt Melanie Hofer.

Quer durch Sachsen-Anhalt sind sie in den vergangenen Monaten gereist, haben mehr als 30 Interviews geführt. Wenn das Portal und die App in naher Zukunft zum Ende der Förderperiode fertig sind, soll auch feststehen, wie es mit dem Projekt weitergeht. „Denkbar wäre, dass wir weitere digitale Vermarktungsformen finden, zwischen den Beiträgen Neuigkeiten und Termine posten, beraten, wie man die sozialen Medien einfach nutzen kann“, sagt Richard Bade. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun für die Netzwerkpartner/-innen. Ein Finanzplan soll entwickelt und die Resonanz auf die App analysiert werden. Und natürlich sollen weitere Geheimtipps aus Sachsen-Anhalt ins digitale Rampenlicht gerückt und solche Geschichten, wie die von der Tangermünder Brauerei erzählt werden. Anja Krause meint: „Uns gehen die Themen nicht aus, das ist sicher.“

www.geheimtipp-sachsen-anhalt.de

Fotos/Bildrechte: Michael Palatini