Jump’n’Run-Spiel Germinal: Spielerisch den Ängsten trotzen

Drei Jahre Pandemie sind vorüber – eine Zeit, die Spuren hinterlassen hat. Mit dem Spiel Germinal wollen die Entwicklerinnen und Entwickler von Moonlit Monitors einen spielerischen Umgang mit dieser schwierigen Episode ermöglichen. Drei Jahre hat das Indie-Studio aus Magdeburg am Konzept und den Feinheiten des Jump’n’Run-Spiels gearbeitet. Nun erscheint es am 9. März auf der Spieleplattform Steam, wo es für 12,49 Euro zum Download bereitsteht. 

In Germinal können Spielerinnen und Spieler in eine pixelige Retro-Welt eintauchen. Der Protagonist Greg springt, schwebt und säubert sich mit seinem Desinfektions-Jetpack einen Weg durch die einzelnen Level. Primäres Ziel ist es, Keime zu entfernen und gesund zu bleiben. Darüber hinaus erlebt man jedoch eine „mitreißende Geschichte über das Verlorengehen in der eigenen Angst“, wie es im Pressetext von Moonlit Monitors heißt. 

Die Macherinnen und Macher von Germinal kennen sich teilweise bereits aus der Schule oder dem Studium. Weitere Mitglieder sind dazugekommen, nachdem sie Schulungen von einem Mitglied des Teams besuchten. Im Interview erklären Barbara, Jonas und Aaron, an wen sich Germinal richtet, was es bewirken soll und welche nächsten Schritte geplant sind.

In euren eigenen Worten: Was ist die Idee hinter Germinal?
Barbara:
Jeder weiß inzwischen, wie es sich anfühlen kann, Angst vor etwas Unsichtbarem zu haben. Vor einer Umarmung zurückzuweichen, weil der oder die andere unwissentlich infiziert sein könnte. Das Haus nicht verlassen zu wollen, weil man sich selbst oder andere schützen möchte. Germinal nimmt diese Angst und führt sie fort: Was passiert, wenn die Gefahr für alle anderen vorbei ist, aber sich für einen selbst noch real anfühlt? Das Spiel möchte Verständnis und Empathie erzeugen für die zahlreichen Barrieren, die das Leben mit einer psychischen Störung mit sich bringt. Gleichzeitig möchten wir betroffene Personen an die Hand nehmen und sagen: Guck mal, du bist nicht allein. Deine Erfahrungen werden von anderen geteilt, und es ist nie zu spät, sich Hilfe zu suchen.

Was war euer persönliches Anliegen, dieses Spiel zu entwickeln?
Jonas:
Wir haben tatsächlich bereits vor der Pandemie mit Germinal angefangen! Die Thematik liegt uns am Herzen, da Angststörungen in unserem Umfeld verbreitet sind und Barbara, unsere Narrative Designerin, als Psychologie-Studentin im Thema steht. Dann kam die Pandemie und wir haben die Möglichkeit gesehen, aus Germinal etwas Größeres zu machen. Anstatt einfach nur Verständnis für Mysophobie zu generieren, nehmen wir jetzt das in der Bevölkerung schon verbreitete Verständnis und übertragen es auf Symptome, die viele Störungsbilder teilen. Soziale und räumliche Isolation, Konflikte im engen Umfeld, lähmende Angstzustände und Suizidgedanken können als Konsequenz von vielen mentalen Problemen auftreten. Insbesondere die letzten beiden Punkte sind oft noch Tabuthemen und werden stigmatisiert oder verharmlost, weshalb wir sie gerne mit einbringen wollten.

Kommt der Zeitpunkt der Veröffentlichung von Germinal nicht etwas spät? Die Zeit der Isolation ist ja fürs Erste vorüber.
Aaron:
Ganz im Gegenteil! Zwar war dies auch eine Frage, mit der wir uns zu Beginn der Pandemie auseinandersetzen mussten, doch die Narrative, für die wir uns entschieden haben, sind für Post-COVID mindestens genauso relevant, wenn nicht sogar noch mehr. Mehr als die Hälfte der Story spielt, nachdem die Epidemie im Spiel bereits vorbei ist und setzt sich daher auch sehr stark mit den psychischen Langzeitfolgen auseinander, die eine Epidemie bzw. Pandemie auf die Menschen haben kann. Es ist beispielsweise denkbar, dass Menschen aus Angst, sich anzustecken, gewisse Hygieneangewohnheiten entwickelt haben, die schädlich sind. Zu häufiges intensives Händewaschen wäre ein Beispiel hierfür. Wir hoffen, dass Germinal dabei helfen kann, einzuschätzen, an welchem Punkt sinnvolle Vorsichtsmaßnahmen eine gefährliche Wende nehmen.

Wie seid ihr auf den Titel ‚Germinal‘ gekommen? Was bedeutet er?
Jonas:
„Germinal“ ist ein Portmanteau aus den englischen Wörtern „Germs“ und „Terminal“, also „Keime“ und „unheilbar“. Der Hauptcharakter entwickelt im Laufe des Spiels Mysophobie *, also gibt der Titel seine Sicht auf die Geschichte wieder. Im späteren Spielverlauf kann Germinal auch als die unheilbare Angst vor Keimen interpretiert werden.

Bei eurer Zusammenarbeit ist nicht nur euer eigenes Spiel entstanden, sondern auch euer eigenes Studio. Wie kam es dazu?
Barbara:
Das ist eher zufällig passiert. Germinal war ursprünglich als Portfolio-Projekt gedacht. Doch als wir merkten, wie viel Zeit und Aufwand in das Projekt fließen würde, beschlossen wir, es irgendwann zu veröffentlichen. Deshalb haben wir 2020 Moonlit Monitors gegründet: als rechtliche Absicherung, und damit das Spiel und eventuelle Gewinne gerecht geteilt werden. Als wir dann Teil der Gründerinitiative MEDIAstart der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM) geworden sind, wurde uns klar, dass unsere Zusammenarbeit mit Germinal nicht enden muss. Wir wurden nicht als Unternehmerinnen und Unternehmer geboren, aber MEDIAstart hat uns dabei geholfen, welche zu werden. Und, um ganz ehrlich zu sein: Jetzt, wo wir einmal die Freiheit hatten, unsere eigenen Ideen umzusetzen und die Reaktionen der Spielerinnen und Spieler zu erleben, fühlt es sich wie die einzig richtige Entscheidung an, unser eigenes Ding zu machen.
 

Sind noch weitere Games in Planung? Wie sieht die Zukunft aus?
Aaron:
Ideen für neue Spiele haben wir ständig, doch wir fokussieren unsere Ressourcen aktuell auf die Veröffentlichung und anschließende Wartung von Germinal. Wir planen auch bereits neue Projekte, von denen wir allerdings noch nicht viel erzählen können, außer, dass sie – wie auch Germinal – einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten sollen.

Welches Umfeld bietet euch Sachsen-Anhalt, um eure kreative Vision zu verwirklichen?
Barbara:
Ich war erst vor kurzem bei der Hamburg Games Conference, einem Networking-Event, was mir gezeigt hat, wie bunt und erfolgreich die Spielebranche sein kann, wenn sie aktiv gefördert wird. Sachsen-Anhalt steckt im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen, aber es tut sich was. Und wir haben das Glück, an dieser Entwicklung beteiligt zu sein und sie beeinflussen zu können! Die Ausbildungsstrukturen sind schon da, beispielweise mit dem Spieleentwicklungsverein Acagamics an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und dem Studiengang Medien- und Spielekonzeption an der Hochschule Harz. Über sie haben wir viel gelernt. Wir waren im zweiten Jahrgang der MEDIAstart-Förderung, ohne die wir uns als Kreative niemals an die Selbständigkeit gewagt hätten. Aber am meisten verdanken wir dem Games & XR Mitteldeutschland, der als Verband bei vielen der Veränderungen mit an der Spitze steht und sie immer weiter vorantreibt.

* Eine krankhafte und übersteigerte Angst, die mit einem extremen Meidungsverhalten und mit Wasch- und Putzzwängen einhergeht.

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/archiv/173525/Ansteckungsangst-Vom-Gefuehl-beschmutzt-zu-sein#:~:text=Die%20Angst%20vor%20Schmutz%20und,mit%20Wasch%2D%20und%20Putzzw%C3%A4ngen%20einhergeht

 

Foto: Moonlit Monitors