MAX GREINER IM INTERVIEW: MIT LEASING-BRILLEN GEGEN DIE WEGWERFKULTUR

28. Juli 2021

Max Greiner studiert im sechsten Semester Industriedesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale). Sein Projekt „madeLocal – Chitosan – Potentiale für regionale Strukturen“ wurde in der diesjährigen Runde des kreativen Landeswettbewerbs BESTFORM als „Vision des Jahres“ ausgezeichnet. Im Interview spricht er über die Anfänge des Projekts, die Zukunft von Biokunststoff und die Bedeutung von Preisen wie BESTFORM für junge Kreative in Sachsen-Anhalt.

Was verbirgt sich hinter „madeLocal“?

Max Greiner: „MadeLocal“ beschäftigt sich mit der Verbindung regionaler Akteure anhand eines Biokunststoffs aus einer Insektenfarm. Das kann man sich so vorstellen: Die Insektenfarm liefert einerseits Proteine. Diese können als Basis für Tierfutter, oder auch als Nahrungsmittel für den Menschen genutzt werden. Damit kann man zum Beispiel Fleisch ersetzen, oder auch Soja – Lebensmittel, die im Moment noch nicht wirklich nachhaltig sind. Ein Abfallprodukt solcher Insektenfarmen ist Chitin, ein hornähnlicher Stoff aus der Hülle der Insekten. Daraus lässt sich der Biokunststoff Chitosan herstellen, der ein riesiges Spektrum an Möglichkeiten eröffnet.

Ich habe mich damit beschäftigt, wie Chitosan in lokalen Strukturen genutzt werden kann. Das Beispiel, an dem ich die Idee veranschaulicht habe, ist eine Art Leasingmodell für Brillen: Man leiht sich für einen monatlichen Betrag ein Brillengestell. Sobald es kaputtgeht, sich abnutzt oder man einfach ein anderes haben möchte, kann man das Gestell dem Optiker zurückgeben. Er leitet es zurück in die Herstellung. Der Kunststoff wird recycelt und kann in ein neues Brillengestell fließen. Er könnte aber auch anders genutzt werden, beispielsweise für Wasserfilter oder medizinische Produkte. Auf der chemischen Ebene bedeutet das ein gleichwertiges Recycling: Unter Zugabe von neuem, reinem Chitosan lässt sich aus dem alten, recycelten Brillengestell wieder eins herstellen. Dazu ist die Forschung aber aktuell noch in vollem Gang.

Wann hattest Du die Idee zu „madeLocal“?

Die Idee kam im Rahmen des Semesterprojekts „Full Circle“ im Wintersemester 2020/2021. An der Burg Giebichenstein haben wir im Industriedesign pro Semester ein großes Projekt. Das nennt sich „komplexes Gestalten“. Ich habe mich für "Full Circle“ entschieden – ein Projekt von Prof. Mareike Gast, bei dem es um die Verknüpfung von Biokunststoffen und regionalen Strukturen ging. Damit hatte ich mich vorher noch nicht beschäftigt, das Thema ist jedoch aktuell sehr wichtig im Industriedesign. Am Anfang des Semesters bekam ich wie alle Studierenden einen Biokunststoff zugeteilt. Das war das Chitosan.

Wie ging es weiter?

Dann kam die Recherche, wir haben eine Insektenfarm in Leipzig besucht, uns mit Chitosan-Hersteller:innen unterhalten. Der Designprozess ist immer eine Art Pingpong zwischen Theorie und Praxis, zwischen Konzept und Experiment. Dabei haben sich die Fragen herauskristallisiert: Schafft man es, aus dem Chitin der Insekten einen Kunststoff zu extrahieren? In welchen Anwendungsbereichen bietet sich eine zirkuläre Nutzung an? Was wäre, wenn man eine Fusion aus Insektenfarm und Makerspace an die Landwirtschaft koppelt? Am Ende stand „madeLocal“.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, dich bei BESTFORM zu bewerben?

Ein Kommilitone von mir hat schon erfolgreich am Landeswettbewerb teilgenommen. Der hat es auf Instagram gepostet und gesagt, bewerbt euch, das ist eine super Sache. Ich habe es mir also angesehen – da war noch ein Tag Zeit bis zum Ende der Bewerbungsfrist. Dann habe ich mich in die WG-Küche gesetzt, in die Tasten gehauen und bin jetzt begeistert, was dabei herausgekommen ist. Das ist für uns Designstudierenden an der Burg eine große Chance. Es ist klasse, dass solche Projekte wertgeschätzt werden, dass wir dafür eine Plattform bekommen. Danke dafür.

Hat sich seit dem Gewinn etwas für Dich verändert?

Das war mein erster Kontakt mit einem Preis und mit dieser Art von Öffentlichkeit. Ich fand es sehr spannend, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und mich über mein Projekt zu unterhalten, habe auch viele Kontakte geknüpft. Das ist einfach super – gerade auch, weil ich noch am Anfang meiner gestalterischen Karriere bin.

Die Auszeichnung „Vision des Jahres“ dient dazu, Projekte in früheren Entwicklungsstadien zu fördern. An welchem Punkt befindest Du Dich gerade mit „madeLocal“?

Ich habe mit den Erkenntnissen aus „madeLocal“ an meinem neuen Semesterprojekt gearbeitet. An der Burg Giebichenstein gibt es neuerdings verschiedene Labore, die sich mit Nachhaltigkeit, künstlicher Intelligenz/ Robotik oder Biotechnologie beschäftigen. Letzteres ist das BioLab, wo wir mit einem Biochemiker und einem Mikrobiologen zusammenarbeiten. Bei mir ging es in dem aktuellen Semester um lebendige Materialien, das bedeutet Oberflächen, die mit der Nutzung von Mikroorganismen direkt auf ihre Umwelt reagieren. Das Thema ist im Moment noch Zukunftsmusik. Ich habe hier aber das Chitosan wieder mit aufgenommen. Das funktioniert in diesem Kontext zum Beispiel als Stützmaterial oder als Basis für Komposite, also aus mehreren Komponenten zusammengesetzte Werkstoffe. Im Herbst haben wir an der Burg einen Workshop, bei dem es um Startups gehen soll und um die Frage, wie man eine Idee oder Semesterprojekte wie „madeLocal“ aus dem Anfangsstadium weiterentwickelt.

Bilder: Max Greiner, madeLocal