Einmal Mikrokosmos und zurück

Das Meltfestival 2015

Mittwoch, 22. Juli 2015 by KWST

Freitag, 13 Uhr – der Rucksack ist gut gefüllt und hängt etwas schief auf dem Rücken. Aber für so ein langes Festivalwochenende muss man schließlich vorbereitet sein. Während also der fast zu platzen drohende Rucksack nur noch von ein paar Fäden aufrecht auf dem Rücken gehalten wird, zischen die Autos nonstop vorbei und suchen sich auf dem weitläufigen Feld einen Parkplatz.

Die Männer des Sicherheitsdienstes nehmen mit ernster Miene ihre Plätze an Zäunen, Eintrittsbarrieren, Zelten und Kränen ein. Die Kräne und damit das Festivalgelände sind das Außergewöhnliche an diesem Festival mitten in Sachsen-Anhalt. Selbstverständlich gibt es in ganz Deutschland riesige Festivals mit großartigen Bands und hippen jungen Menschen, die sich gerne mit Blumenkränzen und temporären Glitzertattoos schmücken. Aber hier auf dem Melt Festival ist, so glaubt man, nochmal alles etwas schöner, bunter, einzigartiger als auf anderen Festivals

Das mag mit Sicherheit auch an der Umgebung liegen, an dem Freilichtmuseum, der Ferropolis – die Stadt aus Eisen. Während früher diese riesige Anlage der Gewinnung von Braunkohle diente, ist sie nun, wenigstens einmal, vielleicht auch zweimal im Jahr, ein Ort der zum Tanzen, Gaffen und Feiern anregt. In mitten der Arena, eingekreist durch die großen Kräne der Ferropolis, steht die MainStage, die größte Bühne auf dem Melt. Gleich am Freitag wird diese Bühne von lange bestehenden oder neu aufstrebenden, musikalischen Acts eingeweiht, die eine riesige Traube um die große Bühne entstehen lassen. 

Bilderbuch, Mogwai, Nils Frahm und London Grammar – es macht einfach keinen Sinn den guten Platz vor der MainStage aufzugeben und die Location zu wechseln. Wie jedes Jahr und auf jedem Festival, muss man sich auch hier für einen Künstler entscheiden, da, wenn auch nicht auf die Minute passend, doch verschiedene Bands und Dj-Sets gleichzeitig spielen. Und jedes Jahr schmerzt jede dieser Entscheidungen ein klein wenig – bis zu dem Moment, wenn die elfenhafte Hannah Reid die Bühne betritt und mit ihrer sagenhaften Stimme das erste Lied von London Grammar anstimmt. Mit leichter Abkühlung durch die Frische der Nacht tanzt es sich gut bis zum Morgengrauen durch. 

Der Samstag, zwar weniger heiß doch mit hoher Luftfeuchtigkeit, macht es der Einen oder dem Anderen nicht unbedingt leichter, gut gelaunt und mit voller Energie in den Tag zu starten. Doch nach entspannten Stunden auf den Zeltplätzen, bei Kaffee und einem späten Frühstück, schaffen es tatsächlich die ersten Besucherinnen und Besucher wieder auf das Gelände. Trotz Unwetterwarnung, das zum Glück über den Mikrokosmos in Gräfenhainichen vorbeizieht, gibt es erste Gerüchte, dass Kylie ihren Soundcheck vorbereitet.

Neben Annenmaykantereit, Tocotronic, Giorgio Moroder und Young Fathers, ist der absolute Hauptact des Abends Kylie Minoque

Nicht jede Besucherin und jeder Besucher ist Fan, sondern eher neugierig darauf, einen so bekannten Weltstar einmal kurz aus der Nähe zu beobachten.

Tatsächlich zieht es kurz vor Mitternacht fast jeden vor die große Bühne – einige wollen nur gucken, andere jeden Song mitsingen und wieder andere haben gar keine Erwartungen. Kylie macht das, was Kylie vermutlich am besten kann: eine riesige Show, mit wechselnder Kleidung, grandiosen Background-Sängerinnen und einer ganzen Anhängerschaft von Tänzerinnen und Tänzern. Alte Songs, neue Songs, Coversongs - Kylie gibt alles und versucht ihr Publikum mit niedlichen Zwischenrufen, mal auf Englisch, mal auf Deutsch, mit ihrer puppenhaften Art zu animieren. Das Konzept geht auf: die Wenigen, die das Gelände vor der Bühne verlassen, sprechen trotzdem am nächsten Tag mit fast jedem, der ihnen über den Weg läuft, über diese kleine Australierin

Der Sonntag startet verregnet, fast stürmisch und erlaubt erst am späten Nachmittag etwas sommerliche Atmosphäre. Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Die Leute lachen, tanzen und feiern den letzten Tag des Festivals. Es gibt auch einiges auf das sich die Besucherinnen und Besucher freuen können: Darwin Deez, Aurora, Element of Crime, Jamie T, Joy Wellboy sowie die wunderbaren Alt-J und viele andere mehr. 

Mit einer etwas abgekühlten, müden aber glücklichen Grundstimmung singen die Festivalgängerinnen und - gänger die Songs ihrer Musikerinnen und Musiker mit, schließen genüsslich die Augen und bewegen sich nach den Klängen der dröhnenden Musik. Der Morgen kommt noch schnell genug, glaubt man in den Gesichtern lesen zu können. Und wie bei jedem Wochenende, rückt auch hier der Montag näher, und die Erinnerung an diese kleinen Alltagsprobleme ist wieder greifbarer. So verändern sich auch die Gespräche in den Shuttlebussen. Während noch vor einigen Stunden nur Liebesbotschaften, Songtexte und Kylies letztes Outfit thematisiert wurden, schleichen sich langsam Wörter, wie Gleitzeit, Tankrechnung und Jobbewerbung ein. Es ist einfach, wie es ist: der Alltag hat uns wieder. 

Mehr über das Meltfestival gibt es hier

 

Gastbeitrag von Isabell Redelstorff (u.a. tätig als Redakteurin bei Korrektur NachOben und Pop10)

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