Eine Toilette verändert die Welt

Mittwoch, 19. November 2014 by KSA

Designerin Mona Mijthab und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit kreiierten eine BESTFORM-prämierte Sanitärlösung für Entwicklungsländer

Kreative lösen Probleme und geben der Gesamtwirtschaft innovative Impulse. Das Land Sachsen-Anhalt hat im vorigen Jahr bei BESTFORM-Wettbewerb sechs Projekte ausgezeichnet, die entstanden sind, weil sich Kreative mit Partner anderer Branchen zusammengetan haben. Den ersten Preis in der Kategorie Produkt erhielt die Partnerschaft der Magdeburger Designerin Mona Mijthab und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Eschborn (GIZ) für die Entwicklung einer transportablen Toilette.

 

Die unscheinbare Toilette ist leicht und klein, kommt ohne Strom und Wasser aus und ermöglicht es, Fäkalien hygienisch zu recyclen. Die Lebensbedingungen in dicht besiedelten Armutsvierteln und Katastrophengebieten vieler Entwicklungsländer könnten damit erheblich verbessert werden. Die Idee für "Mobile Sanitation" (MoSan) kam der damaligen Studentin Mona Mijthab während eines fünfmonatigen Auslandspraktikums in Bangladesch bei der GIZ. Die setzt sich dafür ein, die katastrophale sanitäre Situation in dicht besiedelten Armutsvierteln zu verbessern. "Das Fehlen hygienischer Toiletten hat drastische Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen", sagt Mona Mijthab. "Die Notdurft wird ohne jegliche Privatsphäre verrichtet. Gewässer und Umwelt werden dadurch verunreinigt." Für die Entwicklung einer neuartigen Lösung wurde ein Designer gesucht. "Für mich war das eine große Chance", sagt die Magdeburgerin. Im Sommer 2011 begann die 26-Jährige in Slums zu forschen, sie traf die Bevölkerung, baute Prototypen und sprach mit Herstellern. Die GIZ baute auf ihr kreatives Engagement, Mona Mijthab auf das Know-How der Gesellschaft. Die Toilette der Designerin, die an der Hochschule Magdeburg-Stendal studiert hat, besteht aus drei Bauteilen. Das System kommt ohne Schrauben und Hightech-Teile aus - denn diese erhöhen den Preis, könnten verloren gehen oder müssten aufwendig gewartet werden. Auf den Hauptkorpus wird der Sitz aufgebracht, ein Deckel schließt das System, in zwei herausnehmbaren Behältern werden die Fäkalien getrent. Aus den gesammelten Exkrementen sollen in einem zweiten Schritt Rohstoffe wie Biogas, feste Brennstoffe oder Kompostdünger gewonnen werden.

 

Damit ihre Sanitärlösung auch im kulturellen Kontext funktioniert und angenommen wird, baute Mona Mijthab auf eine kreative Zusammenarbeit mit der Slum-Bevölkerung. Beobachtungen, Interviews und Gruppendiskussionen lieferten die nötigen Antworten. "MoSan" sollte im privaten Haushalt verwendbar, als ästhetischer Gebrauchsgegenstand akzeptiert werden, leicht, transportabel, einfach zu reinigen und lang haltbar sein. Das schlichte Design führt zu einem niedrigen Preis und ermöglicht eine einfache lokale Herstellung. Etwa anderthalb Jahre brauchte die Magdeburgerin von der Idee bis zur Fertigugng funktionaler Prototypen. Mona Mijthab sagt: "Die Partnerschaft war zu jedem Zeitpunkt sehr wichtig, vor allem, weil ich so als Designerin überhaupt die Möglichkeit bekam, in der Entwicklungszusammenarbeit zu forschen" Sie bewegt sich dafür zwischen den Welten, verbrachte viel Zeit mit den Menschen in den Slums, betrieb Feldforschung. Ihre vielen Skizzen füllen Bücher. In Magdeburg traf sich Mona Mijthab mit Dr. Peter Gerth vom Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe und entwickelte erste Prototypen mit der Magdeburger Firma Modell- und Formenbau Sachsen-Anhalt. Die neuesten Prototypen werden aus Kunststoffen im Tiefziehverfahren hergestellt. Derzeit existieren 20 Prototypen, die an verschiedenen Orten dieser Welt getestet werden.

 

Genug Gründe, an ihre Idee zu glaube, hat Mona Mijthab. Beim Landeswettbewerb BESTFORM 2013 überzeugte sie die Juroren. Die kleine Toilette mit dem großen Hintergund erhielt den ersten Preis in der Kategorie Produkt. Gewürdigt wurden das schlichte, aber funktionale Design und die Herangehensweise. Im Gespräch mit den Menschen vor Ort wurden Lösungen entwickelt, und das mit Voraussetzungen, die wirklich vorhanden sind - und nicht am Rechner im stillen Kämmerlein Forschung betrieben, begründet die Jury und hob damit hervor, was der Designerin selbst am Herzen liegt. "Wer wirklich etwas verändern will, muss sich auf Augenhöhe derer begeben, für die das Produkt bestimmt ist", sagt sie.

 

Seit August 2013 wird die Trenntoilette in Kenia getestet. Zusammen mit einem amerikanischen Start-up entwickelt Mona Mijthab einen kreislauforientierten Sanitärservice. In ihrer Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste forscht sie an der Sanitär-Logistik, der hygienischen Sammlung und Methoden für das Recycling der Fäkalien. Denn nicht nur funktional und ästhetisch muss die Lösung sein, sondern auch wirtschaftlich umsetzbar. Der Service soll Arbeitsplätze vor Ort schaffen. "Die Nutzer in Kenia sind begeistert und haben das Konzept tatkräftig unterstützt. Sogar unsere Versuche, aus den Fäkalien einen festen und günstigen Brennstoff zu pressen, sind auf Interesse gestoßen", berichtet Mona Mijthab freudig. Seit diesem Jahr ist auch die Katastrophenhilfe auf die kleine Toilette aufmerksam geworden und der erste 7-wöchige Pilot in einem Flüchtlingslager in Kenia ist bereits erfolgreich abgeschlossen. Das gesammelte Feedback wird nun zur Verbesserung des Produktes verwendet, aber Mona Mijthab denkt schon weiter: "Das sanitäre Problem ist längst nicht das einzige. Ich hoffe, dass ich noch weitere nachhaltige Lösungen für ärmere Regionen entwickeln werde und einen positiven Beitrag als Designerin leisten kann."

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