Glacis Open Air: Gemeinsam organisch wachsen

Vor zwei Jahren startete in Magdeburg das Glacis Open Air. Kulturkollektive aus Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt laden dabei im Sommer unter Federführung des Trägervereins „Musikkombinat Magdeburg“ bei freiem Eintritt zu Live-Musik, Workshops, Kultur-Acts und Sport ein. Wer und was alles dahintersteckt und warum sich Menschen dafür so ins Zeug legen – darüber haben wir mit Gina Maria Mund aus dem Orga-Team gesprochen.

Erklären Sie bitte, was das Glacis Open Air ist.
Das Glacis Open Air ist unser Flaggschiff, das wir über unseren Verein organisieren. Wir verstehen es als ein freies Showcase-Open-Air, das vornehmlich von Kollektiven ausgestaltet wird, die Subkultur betreiben – und das rein ehrenamtlich.

Was bedeutet Show-Case-Open-Air hierbei?
Wir sind zehn verschiedene Kulturkollektive aus Magdeburg. Jedes bringt einen eigenen Schwerpunkt mit und zeigt, was es ausmacht. Die Kollektive können die Fläche, die ihnen zur Verfügung stehen, eigenständig ausgestalten – was die Organisation, das Musikprogramm, das Rahmenprogramm oder auch die Dekoration anbelangt.

Wie ist das Glacis Open Air entstanden?
Ich veranstalte gemeinsam mit Philipp Kloss seit einigen Jahren in Magdeburg ,Wohnzimmerkonzerte‘. Bei diesem Format sind die Räumlichkeiten und Kapazitäten natürlich begrenzt, und wir haben eine sehr große Nachfrage. Darum wollten wir den Raum öffnen und es grundsätzlich ermöglichen, dass jeder an Konzerten teilhaben kann.

Wofür steht ,Glacis‘ im Namen?
Das ist der Name des Parks, wo alles stattfindet. Ein idealer Standort. Ich glaube, es ist selten, dass so eine Veranstaltung in einem Stadtkern stattfinden kann. Die Anlage liegt zentral, ist sehr gut aus allen Richtungen zu erreichen und infrastrukturell gut angebunden. Das passt ideal zu unserer nachhaltigen Philosophie. Wir möchten die Besucherinnen und Besucher dazu animieren, das Autos stehen zu lassen und stattdessen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Bahn anzureisen. Dass die Wahl damals auf die Glacis-Anlage fiel, lag zunächst einfach daran, dass meine Mama in der Nähe wohnt. Zudem arbeiten wir bereits lange mit dem Team vom ,Ravelin 2‘ zusammen (Anm. d. Red.: Das ist der Sanierungsverein der gleichnamigen Festungsanlage in Magdeburg, die sich in der Nähe befindet.). Und wir haben natürlich gesehen, dass der Standort viele infrastrukturelle Vorteile hat.

Schaut man sich an, wer alles mitmacht und wie Sie agieren, ist das ein gutes Beispiel für erfolgreiche Vernetzung…
Wir wollten von Anfang an nicht nur unter uns bleiben, sondern die verschiedensten Akteurinnen und Akteure aus der Subkultur präsentieren. Darum haben wir peu à peu gefragt, ob sie teilnehmen und dabei sein möchten. Als Trägerverein lösen wir die strukturellen Anforderungen wie Genehmigungsprozesse, die inhaltliche Ausgestaltung liegt in vielen Händen. So ist alles Stück für Stück gewachsen. 2021 ist haben wir uns dann im Orga-Team vergrößert, unserer Veranstaltungsduo ist mit Evelyn Fischer zum Trio geworden. Das war ein wichtiger Schritt, weil es wirklich eine große Hausnummer ist, alles im Ehrenamt zu stemmen.

Das sei hier nochmal klar gesagt: Sie arbeiten alle ehrenamtlich…
Ja, so ist es. Alle, die in den Kollektiven mitarbeiten, sind ehrenamtlich dabei. Zusätzlich unterstützen uns freiwillige Helferinnen und Helfer. Im vergangenen Jahr waren so um die 280 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler im Einsatz.

Auf Ihrer Webseite sind Ziele für die kommenden Jahre aufgelistet. Dort steht unter anderem, dass das Glacis Open Air ,gesund wachsen‘ soll. Wie genau soll das aussehen?
Das sind keine Ziele, die von heute auf morgen erreicht werden können. Wir haben eine nachhaltige Agenda, möchten gemeinsam mit den anderen Kollektiven organisch wachsen. Wachsen können wir zum einen auf den Flächen, die wir auf dem Glacis-Areal vorfinden. Zum anderen möchten wir künftig auch noch weitere Kollektive mit einbinden. Gesund zu wachsen, bedeutet für uns jedoch auch, den Park zu schonen. Grundsätzlich möchten wir eine Marke für diese Stadt werden – mit der selbstgemachten Qualität, mit der wir im Ehrenamt regionale, nationale und internationale Acts, Programmpunkte und auch weitere Kollektive, die sich partizipativ daran beteiligen möchten, etablieren.

Es könnte also alles noch sehr groß werden…
Bei der Fläche stoßen wir natürlich irgendwann an Grenzen. Aber beim Ausbau des Netzwerkes und beim Verständnis für Kulturarbeit kann noch sehr viel passieren.

Neben der ehrenamtlichen Arbeit dürfte auch die Finanzierung eine wichtige Rolle spielen. Wie packen Sie die Themen Förderung und Sponsoring an?
Der Aufwand ist schon sehr hoch, weil wir ja eben ein gemeinnütziger Verein sind. Es gibt bei uns mehrere Teams. Eins kümmert sich genau um diesen Bereich. Wir gestalten unser Open Air kostenfrei für alle Besucherinnen und Besucher und reichen nur eine ,Hutkasse‘ herum – mit der Option, zu spenden, was man möchte. Um Fixkosten wie Gagen, Technikausleihe- oder Anmeldegebühren zu decken, stellen wir jedes Jahr Förderanträge und akquirieren Sponsorengelder. Das ist mit viel Recherche verbunden, aber auch mit einer starken, jahrelangen Netzwerkarbeit. Durch sie müssen wir nicht jedes Jahr von vorn anfangen, sondern können auf einer Vertrauensbasis aufbauen. Natürlich freuen wir uns grundsätzlich, wenn Sponsorinnen und Sponsoren auf uns aufmerksam werden und uns unterstützen.

Das alles klingt alles so, als ob Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter sehr viel Zeit und Engagement in dieses Projekt stecken. Kurz gefragt: Warum?
Für Außenstehende ist das vielleicht manchmal schwer nachzuvollziehen. Die Kulturarbeit, die wir leisten, der Gemeinschaftsgeist, der dabei entsteht, und auch zu sehen, was wir in der Stadt bewegen können, das verschafft mir ein gutes Gefühl. Ich mag die Geschichten aus unserem Team heraus, dass man Synergien aufbaut, zusammen solche Kulturorte entstehen lässt. Wir bewegen die Stadt und gestalten sie mit – und das mit einer Werte-Orientiertheit, die mir sehr entspricht. Nicht zu vergessen: Wir alle haben eine Vorliebe für Musik, für Kunst und Kultur unterschiedlichster Couleur. Mit dem Glacis Open Air schaffen wir ein musikalisches Angebot, abseits vom Mainstream, das es vergleichbar in dieser Größenordnung eher selten gibt. Zudem können wir beim Open Air mit Workshops und auf andere Art Menschen in der Stadt empowern sowie auf politische Themen aufmerksam machen. Letztlich hat jeder ein Hobby. Andere fahren viel Fahrrad. Bei mir ist es klar diese Kulturarbeit.

 

Das nächste Glacis Open Air in Magdeburg findet statt: am Samstag, 22. Juli 2023.

Informationen zum Line-Up, zum Programm, zu Kooperationen oder zum Sponsoring sowie über die Kulturkollektive findet ihr unter: www.glacisopenair.org

 

Foto: Giovanna Veronica Gahrns