Menschen befähigen, sich selbst zu helfen

Der Magdeburger Verein „Grünstreifen e. V.“ hat mit der „Macherburg“ einen Makerspace ins Leben gerufen, wo geschraubt, gebastelt, getüftelt und geprobt wird. In einer ehemaligen Fabrik kommen Menschen zusammen, die sich der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen, die Gemeinschaft genießen möchten und einfach Lust haben, etwas Handwerkliches zu machen.

Der Wahl-Magdeburger Spencer Detje ist seit 2019 ehrenamtliches Mitglied des „Grünstreifen e.V.“. Im Interview erklärt er, wie wichtig aus seiner Sicht Handwerksprojekte wie dieses sind – für Integration, Bildung und Nachhaltigkeit.

Was macht Ihre Arbeit beim „Grünstreifen e.V. und dem Projekt „Macherburg“ aus?
Spencer Detje: Grünstreifen e. V. ist ein gemeinnütziger Verein aus Magdeburg und der Träger diverser Projekte. Eines davon ist die Macherburg, eine offene Werkstatt in einem alten Industriekomplex in der Porsestraße 19. Auf 300 Quadratmetern und drei Etagen bieten wir hier verschiedene Gewerke zur Nutzung an: Im zweiten Obergeschoss sind unsere „leisen Gewerke“: Fotolabor, Textilbearbeitung, Print, Lasergravieren und 3D-Druck, sowie Löten, IT und Co-Working-Spaces. Im ersten Stock befindet sich die Holz- und Metallbearbeitung, im Erdgeschoss eine Lagerfläche und die Räumlichkeiten von „Hey, Alter! – Magdeburg“, einem weiteren Projekt vom Grünstreifen. Die Macherburg versteht sich als Makerspace. Das bedeutet, dass wir die Infrastruktur und das Know-how zur Verfügung stellen, damit Menschen sich selbst helfen und Dinge reparieren können. Ob ein Toaster kaputt geht oder ein Laptop, ob jemand einen Gartentisch bauen will oder ein Musikinstrument: bei uns findet er oder sie den Raum, die entsprechenden Werkzeuge und Materialien. Und natürlich sind wir immer zur Stelle, wenn wir helfen können.

Wer ist auf die Idee zum Projekt Macherburg gekommen? Wann war das und wie ist es abgelaufen? 
Detje: Das Projekt Grünstreifen gibt es schon seit 2016. Damals fing alles mit einem lokalen Erzeugermarkt an: Lebensmittel aus der Umgebung, regional und saisonal. Ich selbst bin erst 2019 dazugekommen. Mittlerweile gehört der Markt nicht mehr zu unseren Projekten, doch es sind andere hinzugekommen. Die Macherburg etwa. Die meisten der GründerInnen hatten einen technischen oder handwerklichen Hintergrund, da lag das Projekt in seiner jetzigen Form auf der Hand. Unser Ziel ist es, Menschen dazu zu befähigen, technische Probleme selbst zu lösen. Manchmal ist es nur ein winziger Draht oder eine Schraube, die zwischen Schrott und einem tadellosen, voll funktionstüchtigen Gerät steht. Menschen lernen bei uns, dass solche Dinge nicht zwangsläufig weggeworfen werden müssen. Aber natürlich geht es auch um den Austausch und das Gemeinschaftserlebnis. Und natürlich kann auch einfach vorbeikommen, wer den Spezialschlüssel für ein Computergehäuse braucht.

Nehmen Sie uns mit auf die Reise: Was ist von der ersten Idee bis zur Eröffnung alles passiert? 
Detje: Das Gebäude 13 in der Porsestraße gehört zu einem alten Industriekomplex und stand leer. Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten war also nicht unbedingt das Problem. Die Räumlichkeiten selbst hingegen schon: Wir haben hier im Endeffekt 300 Quadratmeter Grundfläche entkernt und instand gesetzt – inklusive Leitungen, Verkabelung, allem … Damals war ich noch nicht Teil des Teams, aber ich kenne die Szenerie aus diversen Geschichten und Fotoalben meiner Kolleginnen und Kollegen. Da hat es natürlich geholfen, dass die meisten aus Technik- und Handwerksberufen kamen. Dass die Vereinsräume nun so aussehen, wie sie es tun, hat sehr viel Energie und Zeit gekostet, welche die Mitglieder investiert haben. Dennoch ist der Ausbau ein fortlaufender Prozess.

Welche Philosophie steckt hinter dem Projekt Macherburg?
Detje: Wir wollen Menschen befähigen, sich selbst zu helfen. Und wir sind der Meinung, dass so etwas Spaß machen und aus einem Miteinander heraus entstehen sollte. Natürlich verfolgen wir auch einen Nachhaltigkeitsgedanken: In den vergangenen Jahren haben wir es mit der Wegwerfgesellschaft auf die Spitze getrieben. Momentan wachen wir auf und stellen fest, dass wir mit unserem Konsum so nicht weitermachen können. Wenn wir diesen Planeten erhalten wollen, müssen wir Dinge wieder reparieren, anstatt sie wegzuwerfen und neue zu kaufen. Dazu wollen wir Menschen hier inspirieren und diese Weltanschauung gemeinsam leben.

Welche Zielgruppe haben Sie, wen wollen Sie ansprechen?
Detje: Der Fokus liegt auf der Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung – also grundsätzlich ist hier jeder Mensch willkommen, der unsere Ansichten teilt. Die meisten unserer Mitglieder dürften zwischen 20 und 50 Jahre alt sein. Zum Team gehören etwa 40 Personen, die das alles hier ehrenamtlich machen und mittlerweile aus ganz verschiedenen Berufen kommen, vom Tischler über den Mediziner bis zum Musiker bzw. Instrumentenbauer. In Zeiten des Lehrermangels kommen aber auch viele Schulklassen, um hier Praxiserfahrung zu sammeln und ihr Wissen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik aufzubessern.

Wie finanziert sich die Macherburg? Kostet Ihr Angebot etwas? Wieviel?
Detje: Grünstreifen ist ein gemeinnütziger Verein, doch natürlich müssen wir den Unterhalt der Macherburg irgendwie finanzieren. Unsere Mitglieder zahlen einen monatlichen Beitrag, es ist aber auch möglich, die Werkstätten für einen Stunden- oder Tagestarif zu nutzen. Und darüber hinaus gibt es immer die Möglichkeit, eine Kleinigkeit zu spenden. Es wird sicher niemand abgewiesen, der ein Problem hat und dem wir helfen können. Wie gesagt: Das Miteinander steht im Vordergrund.

Auf 300 Quadratmetern und drei Etagen bieten Sie Arbeitsplätze für Filmentwicklung, Näh- und Printarbeit, Holz- und Metallbearbeitung und Co-Working-Spaces an. Erzählen Sie mehr darüber!
Detje: Wir verstehen uns als Gemeinschaft und auch als einen Raum der Inspiration und des Experimentierens. Einige unserer Mitglieder sind beispielsweise wegen eines speziellen Problems hierhergekommen und stehen nun begeistert am 3D-Drucker, bedienen einen Dickenhobel oder entwickeln Schwarz-Weiß Filme. Das gefällt mir persönlich besonders: dass sich hier ganz unterschiedliche Menschen treffen, mit bestimmten Gewerken in Kontakt kommen und sich dann für etwas begeistern, das sie vorher nicht kannten. Wir haben Mitglied hier, das sich ein sehr seltenes und extrem komplexes Musikinstrument aus Glas und Metall gebaut hat, das mittels Reibung und Schwingungen funktioniert. Wo gibt es sowas denn sonst noch?

Was ist das Projekt „Hey, Alter! Magdeburg“, das ebenfalls in Ihrem Hause ansässig ist?
Detje: Hey, Alter! ist in der Corona-Zeit entstanden. Wir bereiten Laptops auf bzw. sammeln Sachspenden, um Kindern, deren Familien sich keinen Computer leisten können, das Homeschooling bzw. heute die Ausbildung an IT-Kursen und -Unterrichtsinhalten zu ermöglichen.

Sie bieten auch Workshops vor Ort an...
Detje: In eintägigen Kursen zwischen zwei und sechs Stunden verwirklichen wir hier diverse Projekte wie Wandregale, Patchwork Kissen, Siebdruck und vieles mehr. In der Vergangenheit haben uns wir sehr mit Holz beschäftigt, jedoch bieten wir nun in allen Gewerken Workshops an. Die Workshops kosten eine fixe Gebühr und unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich als Leiter dieser Workshops ein kleines Honorar zu verdienen. Mehr Informationen dazu gibt es auf unserer Website macherburg.de.

Welche Projekte und Personen aus der Vergangenheit und vielleicht auch in Zukunft liegen Ihnen besonders am Herzen?
Detje: Besonders wichtig ist mir und allen Kolleginnen und Kollegen, dass wir bald eine Immobilie mit einem unbefristeten Mietvertrag finden, die unser Projekt langfristig sichert. Leider ist das bei unseren Räumlichkeiten derzeit nicht der Fall. Ein paar Jahre kann die Macherburg hier sicher noch sein, doch bei solchen Konstruktionen weiß man nie genau.

Wie schätzen Sie die Bedeutung kreativer, handwerklicher Arbeit in Sachsen-Anhalt ein?
Detje: Wir sehen, dass wir von den Menschen sehr gut angenommen werden. Es würde mich freuen, wenn wir uns zu einem festen Bestandteil dieser Stadt und der Region entwickeln könnten. Sowas wie ein Fixpunkt oder Markenzeichen, das man hier einfach kennt. Und wenn man sich die aktuellen Debatten um Lehrer- oder Fachkräftemangel, das aussterbende Handwerk ansieht, sind Projekte dieser Art vielleicht schon bald Vorbilder für das gesamte Land.

Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft der Macherburg frei hätten – was würden Sie sich wünschen?
Detje: Was ich mir für meine Kolleginnen und Kollegen und unsere Mitglieder sehr wünschen würde: dass wir irgendwann eine so solide Finanzierung hinbekommen, dass wir die Alltagssorgen vergessen und uns ausschließlich auf neue kreative Projekte konzentrieren können. Und dass wir in den nächsten Jahren endgültig ein sicheres Zuhause finden.

Foto: Hannah Theile