Sachsen-Anhalts Wunderkammer

„Die Stimme der Dinge“ sucht interessante Gegenstände und Geschichten für eine temporäre Ausstellung

 

Mit dem Kunst- und Medienprojekt „Die Stimme der Dinge – Wunderkammer Sachsen-Anhalt“ begibt sich der Bildhauer und selbst ernannte Wundersammler Marc Haselbach in Arendsee und Hasselfelde auf die Suche nach Dingen – Alltägliches, Außergewöhnliches, Skurriles – und den Geschichten dahinter. Begleitet wird er dabei von einem kleinen Team der Filmproduktionsfirma „blende39“. Produzentin Eva-Luise Volkmann, ihr Kollege und Regisseur Peter Bräunig sowie Autorin Grit Bümann entwickeln und erstellen auf Grundlage der gefundenen Wunder und Storys eine Webserie und Virtual Reality Experience. Wir haben mit den Macher*innen über das laufende Projekt gesprochen.

Bitte erzählt uns doch einmal kurz, worum es im Projekt „Die Stimme der Dinge – Wunderkammer Sachsen-Anhalt“ geht!

Eva: Im Kern geht es darum, dass sich Marc als Wundersammler an einen Ort begibt – eine Gemeinde, einen Kiez, eine Kleinstadt – und dort die Menschen nach Wundern fragt. Er sucht Gegenstände, die eine Geschichte haben, sammelt diese ein und stellt sie auf einer Vernissage aus. Wir als Filmemacher*innen begleiten ihn und sammeln filmisch unsere eigenen Geschichten ein. 

Das Projekt „Wunderkammer“ hast Du, Marc, ja auch schon in Japan oder Budapest durchgeführt. Warum ist die Wahl dieses Mal auf Sachsen-Anhalt gefallen?

Marc: Sachsen-Anhalt wird bald mein neuer Lebensmittelpunkt. Das Bundesland liegt im Herzen von Deutschland. Es ist ein spannendes Bundesland und interessiert mich auch. Eigentlich lebe ich seit langer Zeit in Berlin, arbeite aber schon seit einigen Jahren auch in Magdeburg. Daher kenne ich Sachsen-Anhalt ein wenig und freue mich, jetzt mit diesem Projekt, noch tiefer einzutauchen und vor allem auch die Menschen kennenzulernen. Die Menschen und ihre Wunder.

Und warum hat es Euch nach Arendsee und Hasselfelde gezogen und nicht nach Magdeburg, Halle, Dessau oder Wittenberg?

Marc: Die Leute denken immer, die Großstädte sind spannend. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die Provinz ist das Leben. 

Grit: Wir waren im Land unterwegs, um uns verschiedene Ecken und Städte anzuschauen. Natürlich überlegt man, erfindet Parameter, nach denen man schaut und auswählt. Aber ehrlicherweise haben wir am Ende mehr aus dem Bauch heraus entschieden. 

Marc: Und vielleicht, weil sich mit den beiden Orten so ein schönes Spannungsfeld zwischen Wasser und Weite und Bergen und Tälern ergibt. 

Wie wird das Projekt vor Ort bisher angenommen?

Marc: Immer, wenn man etwas Neues anfängt, löst man erst mal Staunen aus. Es ist interessant, wie schnell die Leute das Projekt als ihr Projekt angenommen haben. Und Teile, die sie nicht daran verstehen, können sie stehen lassen und aushalten. Und alle freuen sich auf die Ausstellung. Selbst wenn sie kein Wunder beisteuern.

Eva: Uns begegnet hier große Offenheit und Herzlichkeit.

Grit: Es ist großartig, wie viele Menschen uns ihre Lebensgeschichten erzählen. Das geht manchmal ziemlich tief.

Wie läuft so ein Tag in Arendsee aktuell ab? Sprecht Ihr die Menschen direkt an oder kommen sie von sich aus auf Euch zu?

Marc: Alles davon. Es gibt kein Planziel für den Tag, oder so. Manchmal haben wir Termine mit sogenannten Lokalhelden. Das sind Menschen, die hier leben und die bekannt sind, uns empfohlen worden. Und dann gibts die Begegnung mit der Laufkundschaft in unserem Ladengeschäft. Wir haben ein großes Geschäft gemietet und dort sitzen wir und arbeiten. Und an manchen Tagen geben sich die Leute die Klinke in die Hand und es ist wie in einem Taubenschlag. Und manchmal spreche ich auch jemanden auf der Straße an. Immer höflich. Freundlichkeit führt zum Erfolg. 

Peter: Parallel zu den Begegnungen, die ja vor allem mit Marc stattfinden, drehen wir einzelne Protagonisten und ihre Geschichten für unsere Art der Wunderkammer. Wir werden das Kunstprojekt, das ja eigentlich analog funktioniert, ins Mediale überführen. Und dafür braucht es dann wieder Absprachen und Koordination. Aber auch wir lassen uns gern treiben. 

Welche spannenden Geschichten sind euch seit Beginn schon erzählt worden?

Marc: Das verrate ich noch nicht. Das ist geheim. Die Wunder und ihre Geschichten präsentieren wir auf der Vernissage am Ende unserer Zeit hier in Arendsee. Mein Wunderwagen wird dort sein, bestückt mit all den Wundern. Die Wundergeber werden dort sein und hoffentlich viele Besucher. Jeder ist eingeladen.

Grit: Wir sind ja noch in der Sammelphase und wollen jetzt hier nicht vorweg greifen. Aber die Wunder und Wundergeschichten, die uns bisher erreicht haben, sind wahnsinnig vielfältig, sehr unterschiedlich, manche sind groß, andere ganz klein. Manchmal lachen wir aus vollem Herzen und manchmal bleibt uns die Sprache weg. Soll heißen, ein Besuch lohnt sich zur Ausstellung. 

Wann geht es nach Hasselfelde?

Eva: Bis Ende Juli sind wir hier in Arendsee und mit einer kleinen Umbau- und Umzugsphase starten wir dann ab dem 10. August in Hasselfelde und Umgebung. 

Wo kann man sich die Ausstellung mit all den kleinen und großen Fundstücken und ihren Geschichten ansehen? Nur während der Projektdauer in Arendsee und Hasselfelde oder auch an anderen Orten?

Marc: Ja. Die Wunderkammer ist eine temporäre Sache. Es wird gesammelt, ausgestellt und dann zurückgegeben. Das ist ein wichtiger Aspekt. Wir sammeln ja Gegenstände, die für die Leute eine besondere Bedeutung haben. Die meisten wollen ihre lieb gewonnenen Gegenstände oder Objekte um keinen Preis abgeben. Als Leihgabe sieht das dann schon wieder anders aus. 

Eva: Und wir halten das Geschehen ja auch in Auszügen mit unserer Kamera fest. Einige der Geschichten gibt es dann später auch in Form der Webserie und der Virtual Experience zu sehen.

Wie wird die Webserie aussehen?

Peter: Die Webserie wird eine eigene Form bekommen. Das Wunderliche dieser Aktion wollen wir aber auch hier transportieren. Mit den Mitteln der dokumentarischen Arbeit. Man kann sich auf spannende und überraschende Geschichten, auf urige und ehrliche Protagonisten freuen und auf Unterhaltung. Das ist uns wichtig. 

Und was kann man sich unter der Virtual Reality Experience vorstellen? Wie und wo kann man diese erleben?

Grit: Die VR wird eine Art virtuelle Wunderkammer sein. Wir wollen den Raum bzw. das Medium nutzen, um für den Zuschauer die Begegnungen, die uns hier begeistern, manchmal auch verzaubern, erfahrbar zu machen. Mit der 360-Grad-Projektion entsteht das Gefühl dabei zu sein, eine andere Position einnehmen zu können als den Beobachter, den der Zuschauer oft im filmischen Kontext hat. 

Peter: Die Produktion der VR schließt sich an die Präsenz vor Ort an. Das heißt, wir werden erst Anfang des nächsten Jahres die Virtual Experience veröffentlichen. 

Plant Ihr, das Projekt nach Abschluss auch in anderen Städten in Sachsen-Anhalt weiterzuführen?

Marc: Ich mache die Wunderkammer ja schon zum achten Mal. Natürlich kann ich mir weitere Wunderkammern vorstellen. Und ich würde auch sagen, dass ich auf jeden Fall weitere machen werde. Vielleicht sogar eine, die sich Wunderkammer Deutschland nennt. 

Grit: Das ist unser Wunsch, unsere Vision. Es wäre großartig, wenn wir das wiederholen könnten. Gemeinsam mit Marc Orte erforschen, Menschen begegnen und zauberhafte Geschichten einsammeln. 

Eva: Die Möglichkeit, das Projekt zu machen, haben wir ja aufgrund der Förderungen, die wir für das Projekt bekommen haben. Die VR können wir realisieren, weil wir Gelder über das „Digital Creativity“-Programm des Landes Sachsen-Anhalt erhalten haben. Und die Webserie wird finanziert durch die Mitteldeutsche Medienförderung und den MDR. Das ist natürlich großartig und wir sind dankbar. Und wenn wir neue Gelder akquirieren können, dann machen wir auf jeden Fall weiter.

 

Mehr Informationen zu „Die Stimme der Dinge – Wunderkammer Sachsen-Anhalt“ gibt es online auf www.wunderkammer-sachsen-anhalt.de und www.facebook.com/wunderkammersachsenanhalt.