Kulturschätze für die Zukunft bewahren

Stiftungen, Messen, Bildungsstätten, kreative Zentren: Wenn es um Kunst und Kultur geht, hat Sachsen-Anhalt eine Menge zu bieten. In den kommenden Wochen und Monaten stellen wir beispielhaft Institutionen der Kultur- und Kreativszene vor. Den Anfang macht die Kulturstiftung.

 

 

Von frühmittelalterlichen Domen bis zu modernen Kunstgalerien: Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt kümmert sich um zahlreiche Bauwerke, Denkmale und Museen im ganzen Bundesland. Generaldirektor Dr. Christian Philipsen stellt die Stiftung und ihre Arbeit im Interview vor.

Denkmale und Kulturgüter erhalten, erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich machen: Seit 2015 verantwortet der promovierte Historiker Christian Philipsen die Arbeit der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, ehemals „Stiftung Schlösser und Dome“. Dabei geht es nicht nur um Schlösser und Dome, sondern auch um Museen und sogar um Musik. Eine Reise durch 1.200 Jahre Kulturgeschichte.

Was ist die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und wie funktioniert sie?

Christian Philipsen: Die Kulturstiftung wurde 1996 gegründet und hat verschiedene Denkmale, Museen und andere Kulturgüter, die zuvor in Landesbesitz waren, übernommen. Unser Vermögen sind Bauten und Kunstwerke. Wir arbeiten also nicht mit einem Stiftungskapital, wie man das aus privaten Stiftungen kennt, sondern sind öffentlich-rechtlich organisiert. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Jahr für Jahr dafür zu sorgen, dass wir genug Finanzierung bekommen, um die uns anvertrauten Bauwerke zu erhalten.

Wie sieht das im Detail aus?

In unserer Satzung heißt es etwas sperrig: Die Baudenkmale und Kulturgüter verwalten, baulich-konservatorisch betreuen, wissenschaftlich erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Man kann es auch so zusammenfassen: Erhalt, Erforschung, museale Präsentation und kulturelle Bildung. Wir eröffnen die kulturelle Vergangenheit Sachsen-Anhalts für die Gegenwart und bewahren sie für die Zukunft. Das Besondere dabei ist, dass wir nicht ein Thema behandeln, sondern viele unterschiedliche Bereiche. Deswegen heißen wir auch nicht mehr wie früher „Stiftung Schlösser und Dome“, sondern „Kulturstiftung“. Im Grunde bilden wir 1.200 Jahre Kulturgeschichte aus Sachsen-Anhalt ab.

Was sind aktuell Ihre wichtigsten Vorhaben?

Seit ihrer Gründung ist die Stiftung kontinuierlich gewachsen. Wir haben immer neue Bauwerke übernommen und können oft nur den Substanzverlust aufhalten. Wir reagieren, wenn irgendwo Steine herunterfallen, manchmal fühlt sich das fast an wie bei der Feuerwehr. Nun bekommen wir für sieben Jahre ein Sondervermögen von Land und Bund, mit dem wir verschiedene Großprojekte angehen, unter anderem die Sanierung der Burg Falkenstein und die Vorburg am Schloss Neuenburg. Das sind Bauvorhaben, die wir unter normalen Umständen nicht umsetzen könnten. Zum Vergleich: In den vergangenen 25 Jahren haben wir 180 Millionen Euro investiert – jetzt sind es 200 Millionen in sieben Jahren.

Die Kulturstiftung verwaltet nicht nur Bauwerke und Kulturgüter, sondern forscht auch. Um welche Themen geht es dabei?

Wir arbeiten nach einem regionalen Prinzip: In den einzelnen Häusern gibt es Direktorinnen und Direktoren, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre eigenen Themen setzen und bearbeiten. Ein großes Thema ist die Bauforschung. Aktuell arbeiten wir zum Beispiel am Inventar des Doms in Halberstadt. Wie ist das Bauwerk entstanden, wann welcher Gebäudeteil, wann welches Kunstwerk? Am Ende steht eine vollständige Übersicht über das Gebäude nach aktuellem Wissensstand. Der andere Aspekt ist die Forschung im Museumskontext. Im vergangenen Jahr haben wir in der Moritzburg eine Ausstellung zu Willi Sitte gemacht, die erste Retrospektive zu diesem sehr umstrittenen DDR-Künstler. Da haben wir echte Archivarbeit geleistet und das Gesamtwerk Sittes mit allen politischen Verstrickungen auf Grundlage wissenschaftlicher Arbeit dargestellt.

Und zu Musik forschen Sie auch?

Das Kloster Michaelstein, das zur Stiftung gehört, ist auch eine Musikakademie. Ihr Schwerpunkt ist die Erforschung historischer Aufführungspraxis, das heißt: Wie wurde Musik in ihrer Entstehungszeit gespielt? Ein Barockorchester zu Bachs Zeiten hat zum Beispiel ganz anders geklungen als ein Symphonieorchester heute, viel leiser und feiner. Michaelstein veranstaltet außerdem jedes Jahr eine Forschungstagung, da ging es in der Vergangenheit um Themen wie Populärmusik zur Barockzeit – oder auch um die Geschichte des Fagotts. Diese Breite an Musikthemen ist etwas ganz Besonderes.

Was steht in den kommenden Monaten auf dem Programm?

Die Kulturstiftung bekommt Zuwachs: Wir übernehmen das Schloss Allstedt im Südharz. Das Schloss ist historisch wichtig, es war eine deutsche Königspfalz, hat aber auch eine bewegte Geschichte im Kontext des Bauernkrieges: Thomas Müntzer, ein großer Theologe und Reformator, hat hier seine Fürstenpredigt gehalten, die den Bauernkrieg mit angestoßen hat. 2025 begeht Sachsen-Anhalt gemeinsam mit anderen Bundesländern den 500. Jahrestag dieses Krieges. Dabei soll das Schloss eine wichtige Rolle spielen.

Welche Veranstaltungen sollte man sich in nächster Zeit nicht entgehen lassen?

Im Oktober findet wieder das Jazzfestival im Kloster Jerichow statt. Da wird in einer hochmittelalterlichen Klosteranlage moderner Jazz gespielt – eine ganz besondere Atmosphäre. Ebenfalls im Oktober haben wir das Burgfest in Falkenstein, ein Mittelalterfest mit allem, was dazugehört, das ist immer sehr beliebt. Fans zeitgenössischer Kunst sei das Kunstmuseum Moritzburg empfohlen: Hier stellt im Herbst Margret Eicher ihre Arbeiten aus. Sie verwendet ein altes Medium und setzt sich auf meterlangen Bildteppichen, wie man sie eigentlich aus dem Spätmittelalter kennt, kritisch mit Motiven aus Nachrichten und Werbung auseinander.

Ihr persönliches Kultur-Highlight in Sachsen-Anhalt?

Das ist tatsächlich etwas, das nichts mit der Stiftung zu tun hat: das Puppentheater in Halle. Dort werden bedeutsame Texte der Weltliteratur in der Interaktion mit Puppen inszeniert, von Hamlet bis zur hässlichen Herzogin von Lion Feuchtwanger. Bevor ich nach Sachsen-Anhalt gekommen bin, kannte ich das so nicht.

Mehr Informationen zur Kulturstiftung findet ihr unter https://www.kulturstiftung-st.de/.

Foto: picture alliance/Kulturstiftung Sachsen-Anhalt