Bauhaus und Bobbycars

Stiftungen, Messen, Bildungsstätten, kreative Zentren: Wenn es um Kunst und Kultur geht, hat Sachsen-Anhalt eine Menge zu bieten. In den kommenden Wochen und Monaten stellen wir beispielhaft Institutionen der Kultur- und Kreativszene vor. Folgend auf die Kulturstiftung beim letzten Mal, geht es nun um die Kunststiftung.

 

Die Kunststiftung Sachsen-Anhalt fördert die Künstlerinnen und Künstler des Landes und schafft Räume für Kunst aus der Mitte Deutschlands – vor Ort und in aller Welt. Gründungsdirektorin Manon Bursian über den Alltag in der Stiftungsarbeit, die Highlights der vergangenen Jahre und Pläne für die Zukunft.

Die gebürtige Magdeburgerin Manon Bursian hat eine außergewöhnliche Karriere hinter sich. In der DDR aufgewachsen, studierte sie zunächst Bibliothekswissenschaften und später Kulturmanagement und war nach der Wiedervereinigung als Mitarbeiterin der Goethe-Institute in der Welt unterwegs. Dann zog es sie zurück in die Heimat: Seit fast 18 Jahren leitet sie die Kunststiftung Sachsen-Anhalt und ist dort dabei, wo es um Kunst in und aus Sachsen-Anhalt geht.

Was macht die Kunstszene in Sachsen-Anhalt aus?

Manon Bursian: Man könnte jetzt zwar sagen, dass Sachsen-Anhalt ein kleines Land mit einer kleinen Kunstszene ist. Ich denke aber, das ist die falsche Perspektive. Die Szene ist nicht die größte, aber sie bringt eine unglaubliche Qualität mit. Mit der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle – unsere Nachbarin hier in Halle – haben wir eine große Kunsthochschule direkt vor Ort. Sachsen-Anhalt verfügt über eine große Kunstgeschichte, man denke zum Beispiel ans Bauhaus. Aber auch heute ist viel los: Von Schmuckdesign bis zu Game Design finden Sie hier wirklich alles.

Welche Rolle spielt dabei die Kunststiftung?

Unsere Hauptaufgabe ist es, die Künstlerinnen und Künstler des Landes zu unterstützen. Wir vergeben Stipendien, fördern Projekte und starten Initiativen. Dabei ist es uns wichtig, das Land und seine zeitgenössische Kunst in ihrer Gänze zu betrachten: In Sachsen-Anhalt gibt es viele kleine Museen und Kulturstätten im ländlichen Raum. Mit unserem Heimatstipendium schicken wir jedes Jahr eine Künstlerin oder einen Künstler in eines dieser Museen und lassen sie oder ihn dort kreativ arbeiten. Das ist ein Riesenerfolg, wir haben gerade die zweite Runde durchgeführt. Für mich steht dieses Projekt auch sinnbildlich für das, was unsere Förderarbeit ausmacht: In der Kunst gibt es nichts Schlimmeres, als im eigenen Saft zu schmoren. Es ist wichtig, dass man rauskommt. Dazu gehören auch internationale Kooperationen, zum Beispiel mit der Künstlerresidenz Villa Aurora in Los Angeles, mit der wir seit Jahren zusammenarbeiten. Am Ende geht es neben der finanziellen Unterstützung darum, die Arbeiten unserer Künstlerinnen und Künstler in die Öffentlichkeit zu bringen – sei es mit Ausstellungen hier vor Ort, in Kunstwettbewerben oder im internationalen Austausch.

Gibt es Highlights?

In den 17 Jahren seit der Gründung der Kunststiftung gab es hunderte von Projektförderungen und Stipendien. In den vergangenen Jahren haben wir viele einzigartige Jubiläen gefeiert. Ein Highlight war das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum 2019. In Halle gibt es die Großgarage Süd, ein Bauhaus-Bau aus dem Jahr 1927 und eine der wenigen noch funktionierenden Großgaragen aus dieser Zeit. Dort haben wir einen Kronleuchter aus Bobbycars installiert, der uns international in die Diskussion gebracht hat. 

Wir waren auch mit einer Ausstellung im Diakonissenhaus in Elbingerode, noch ein Bauhaus-Bau, den kaum jemand kennt. Das war schon etwas ganz Besonderes.

Sie haben es angesprochen: Die Kunststiftung fördert Kunstschaffende aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Worauf kommt es dabei am meisten an?

Man muss bereit sein, Risiken einzugehen. Manchmal kommen Künstlerinnen und Künstler direkt aus dem Studium zu uns, ohne lange Ausstellungsliste und mit Projektbeschreibungen, die noch sehr nach der Masterarbeit klingen. Da muss man sich auf sein Gespür verlassen, geduldig sein und manchmal auch etwas wagen. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn einmal etwas schiefgeht in der Kunst. Ich sehe, wie viele unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten mit Preisen ausgezeichnet werden. Wir sind nur punktuell dabei, es geht immer darum, die Menschen zu ermutigen und sie ein Stück mitzunehmen.

Mit dem Schulprogramm „kinder-leicht“ richten Sie sich gezielt an den Nachwuchs. Wie funktioniert das Programm und wie wird es angenommen?

Das Besondere an kinder-leicht ist, dass wir nicht Kunstthemen speziell für Schulen schaffen, sondern unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten ihre Arbeiten an Kinder und Jugendliche vermitteln. Wenn wir geeignete Projekte haben, können die Schulen sich bei uns dafür anmelden, und die Künstlerinnen und Künstler fahren dann auf die Dörfer und arbeiten mit den Kindern. So schaffen wir Kunsterlebnisse, die man im normalen Schulalltag nicht hat. Wenn damit noch ein größeres Interesse an Kunst geweckt wird, ist das natürlich wunderbar – und das passiert auch immer wieder. Aber vor allem bekommen die Kinder so eine Begegnung mit einer kreativen Person, die ihnen eine ganz besondere Perspektive auf das Thema Kunst verschafft.

Was möchten Sie Kunstschaffenden in Sachsen-Anhalt mit auf den Weg geben?

Ich möchte sie ermutigen, durchzuhalten. Es gibt etwas, das an anderen Orten sehr groß ist und in Sachsen-Anhalt sehr klein, und das ist der sogenannte Kunstmarkt. Man muss schon kämpfen. Es gibt Stipendiatinnen und Stipendiaten, die nachts an der Tankstelle arbeiten oder als Ankleiderinnen in der Oper. Künstler müssen hartnäckig sein. Es ist ja ein selbstgewähltes Dasein, und ich wünsche mir, dass unseren Kreativen nicht die Kräfte ausgehen. Ich finde es aber auch toll, wie sich unsere Kunstszene aus sich selbst heraus organisiert. Wir haben viele Kunstschaffende, die selbst sehr gute Kuratorinnen und Kuratoren sind. Wenn sich eine Szene so in Bewegung setzt, entstehen immer neue Partnerschaften. Das ist eine große Chance.

Zum Abschluss: Was darf ich mir nicht entgehen lassen, wenn ich zeitgenössische Kunst in Sachsen-Anhalt sehen möchte?

Wir haben zwei große Museen, die diese Kunst ausstellen: das Kunstmuseum Kloster Magdeburg und die Moritzburg in Halle. Ein besonderer Tipp ist auch das Figurentheaterfestival in Magdeburg, ein Grenzgänger zwischen Puppentheater und zeitgenössischer Kunst. Dazu kommen viele Kunstwerke im öffentlichen Raum, es gibt auch überall im Land Kunstvereine und wunderbare Heimatmuseen. Wer durch das Land reist, kann hier einen schönen Kunstsommer verbringen.

Mehr Informationen zu Kunststiftungen, Förderprogrammen und Veranstaltungen findet ihr unter https://www.kunststiftung-sachsen-anhalt.de/

Foto: Iris Brosch

INFOKASTEN: aktuelle und zukünftige Projekte

Aktuell läuft in Berlin eine Ausstellung zu Erich Dieckmann mit Stipendiatinnen und Stipendiaten der Kunststiftung und Studierenden der Burg Giebichenstein, zunächst in Halle und jetzt in Berlin. Dieckmann, ein Bauhaus-Meister mit schwieriger Biographie, wird in der Ausstellung ganz neu entdeckt. 2022 ist auch das Jubiläum zum 250. Geburtstag des Schriftstellers Friedrich von Hardenberg alias Novalis, das die Kunststiftung mit mehreren großen Ausstellungen das ganze Jahr über feiert. Neben einem Kunstwettbewerb in Oberwiederstedt, Novalis‘ Geburtsort, hat die Stiftung außerdem 30 Künstlerinnen und Künstler eingeladen, im Haus der Kunststiftung Widmungen an ihn zu produzieren.

2021 hat die Kunststiftung einen Wettbewerb mit Künstlerinnen und Künstlern aus unterschiedlichen Disziplinen veranstaltet, Ort war die Glasmanufaktur in Derenburg, eine der letzten noch produzierenden Glashütten in Deutschland. In Sachsen-Anhalt gibt es zahlreiche Kirchen mit tollen, bunten Glasfenstern, auch an der Burg Giebichenstein ist Glas ein wichtiges Ausbildungsgebiet. Im kommenden Jahr gibt es deshalb eine große Ausstellung zu Glas, die nicht nur Objekte zeigt, sondern auch die Produktion von Glas erklären soll. Außerdem ist eine Porträtausstellung mit der Fotografin Herlinde Koelbl in Vorbereitung, eine Zusammenarbeit mit der Wissenschaftsakademie Leopoldina. Im Herbst dieses Jahres gibt es außerdem die große Stipendiatenausstellung der Stiftung, unter anderem mit Arbeiten von Stipendiaten die jetzt in der Ukraine leben.