Kreativwirtschaftsverein Sachsen-Anhalt: Fehler erwünscht!

Der Kreativwirtschaft Sachsen-Anhalt e.  V. (KWSA) versteht sich als verlängerter Arm und Sprachrohr der Kunst- und Kulturschaffenden im Bundesland. Seit kurzem arbeitet er mit einem neuen Vorstand. Mathias Schulz ist seit September der Vorsitzender.  Welche nächsten Ziele verfolgt er, wie möchte der Verein künftig die hiesige Kultur- und Kreativwirtschaft stärken – ein Gespräch mit dem Vereinsvorsitzenden, der auch am Health- und IT-Campus in Magdeburg als CEO aktiv ist.

Wie sind sie zum KWSA gekommen, und warum engagieren Sie sich hier – jetzt auch als Vorsitzender?

Dank meiner Arbeit als Projektleiter an der Hochschule Magdeburg-Stendal konnte ich in der Kreativbranche Fuß fassen. Ich lernte Professoren und Studierende aus dem Bereich kennen, zu dem auch viele Mitglieder des KWSA gehörten. Dessen Gründung habe ich damals auch mitbetreut. Vor mehr als einem Jahr hat mich der damalige Vereinsvorsitzende Mirko Kisser gefragt, ob ich dem Vorstand beitreten möchte – Mitglied war ich zu diesem Zeitpunkt bereits. Im September 2022 übernahm ich schließlich die Nachfolge von Mirko, der das Ehrenamt aus beruflichen Gründen nicht mehr ausfüllen konnte.

Wie sah Ihr Einstieg in die Start-up-Szene und Kreativbranche aus?

Ich habe BWL an der Hochschule Magdeburg-Stendal mit der Spezialisierung „Ökonomie für kleine und mittelständische Unternehmen/Existenzgründung“ studiert. Dort haben wir eine studentische Unternehmensberatung ins Leben gerufen, aus der unter anderem ein Businessplanwettbewerb hervorging. Konzipiert war der Wettbewerb ursprünglich für die Altmark, doch unser Professor dachte größer und plante den Wettbewerb für ganz Sachsen-Anhalt. Dann ging alles ganz schnell: An einem Montag schickte ich meine Projektskizze an meinen Professor, am Freitag saßen wir schon im Büro des damaligen Wirtschaftsministers Horst Rehberger. Das Projekt wurde gefördert und ich übernahm die Koordination und Leitung. Das war mein Einstieg in die staatlich geförderten Gründungsszene, in der ich mich bis 2018 aufhielt. Anschließend baute ich eine private Gründungsinitiative auf, den HIT-Campus.

Wie bewerten Sie das Standing des Vereins?

Mein Vorgänger Mirko Kisser hat die letzten Jahre sehr gute Arbeit geleistet. Dank ihm haben wir ein richtig gutes Standing innerhalb der Politik und der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Diese Arbeit möchte ich erfolgreich fortführen.

Wie soll es nun weitergehen mit dem KWSA und welche Ziele sollen langfristig verfolgt werden?

Wir wollen unsere Mitglieder noch stärker miteinbeziehen und ein Kompetenzzentrum auf Basis einer Strategie für die Kultur- und Kreativwirtschaft errichten. Mit der Strategie und dem daraus hervorgehenden Kompetenzzentrum wollen wir die ganzen kleinen Herausforderungen, denen sich Kreative im Berufsalltag stellen, einmal bündeln und so eine Meta-Sicht gewinnen. Zum Auftakt haben wir im September zwei Workshops in Halle und Magdeburg ausgerichteet, die zeitgleich stattgefunden und sich demselben Thema gewidmet haben. Ziel war es, verschiedene Perspektiven und Vorschläge aus dem Norden und Süden von Sachsen-Anhalt einzuholen. Jetzt liegt es an uns als Vorstand, die einzelnen Punkte zusammenzuführen, eine Strategie zu entwickeln und sie dem Wirtschaftsministerium zu verankern.

Wie definieren Sie die Kultur- und Kreativwirtschaft?

Geht es darum, was die Kultur- und Kreativwirtschaft im Kern ist, würde ich es einfach halten: Zu ihr gehören all die, die aktiv damit Geld verdienen, kulturelle Güter in Serie produzieren und reproduzieren und damit nahezu gewerblich auftreten. Die Wirtschaftsministerkonferenz von 2009 hat elf Teilmärkte genannt, die der Branche angehören und die wir als KWSA hauptsächlich adressieren. Dazu gehören beispielsweise der Buchmarkt, die Musikwirtschaft, Fotografie, Architektur, Webdesign und audiovisuelle Medien. Das soll jedoch nicht heißen, dass wir einzelne Freiberuflerinnen und -berufler außen vorlassen. Der Ansatz ist eher, die große Basis zu stärken und so das Grundniveau für alle anzuheben.

Noch bis März läuft die Bewerbungsphase für den Landeswettbewerb BESTFORM-. Was versprechen Sie sich von den Teilnehmenden und ihren Projekten?

Erstmal versprechen wir uns vom Award eine Aktivierung der Szene – aufgrund von Corona mussten viele Wettbewerbe abgesagt werden. Der BESTFORM-Award kann nun für Unternehmensgründerinnen und -gründer Starthilfe und Anreiz zugleich sein. Insofern hat der Wettbewerb eine Signalwirkung an die ganze Szene, die nach der Corona-Pandemie wieder aus dem Winterschlaf erwacht. Daneben bietet BESTFORM auch die Chance, sich einen Überblick zu verschaffen. Was ist möglich? Was ist der aktuelle State of the Art? Welche Trends zeichnen sich ab? Der Wettbewerb funktioniert als Kreativ- und Innovationsradar, an dem sich auch etablierte Unternehmen orientieren können.

In diesem Jahr sitzt mit Heike Worel auch eine Kollegin aus dem KWSA in der Jury. Welche Perspektive bringt Sie in die Jury mit ein?

Das Schöne bei Heike ist, dass sie Expertise sowohl aus dem Kreativ- als auch dem Wirtschaftsbereich mitbringt. Die beim BESTFORM-Award eingereichten Projekte müssen auch nachhaltig sein. Es bringt nichts, wenn die Finanzierung nicht steht. Heike bringt also einen Sinn dafür mit, welche Start-ups und Produkte am Markt Geld verdienen könnten. Das gilt indirekt auch für Kulturprojekte, die nicht kommerziell ausgerichtet sind, aber trotzdem wirtschaftlich machbar sein sollten. Deswegen denke ich auch, dass Heikes Erfahrung besonders für die Sonderkategorie zum Thema innerstädtische Entwicklung enorm wertvoll ist.

Zum HIT Campus: Beschreiben Sie bitte, was das ist und was ihn ausmacht!

Der Geschäftsführer der HASOMED, das Mutterunternehmen des HIT-Campus, möchte einen attraktiven Arbeitsort schaffen, wo sich die Mitarbeitenden gern aufhalten. Die Vorstellung war ein Ökosystem, in dem sich die Mitarbeitenden nicht in ihren jeweiligen Blasen aufhalten, sondern übergreifend austauschen. Indem der HIT Campus zahlreiche Events veranstaltet und Bühnen bietet, bringen wir außerdem interessante Leute und Ideen von außerhalb hierher. Geht es um die Start-ups selbst, ist es cool mit anzusehen, wie sie sich gegenseitig aushelfen und unterstützen – ob mit einer Wasserpumpenzange, einer Hebebühne oder auch mit einem Hubwagen. Es sind einfache Dinge, die im täglichen Gebrauch entscheidend sind. Und auch darüber hinaus entstehen Synergien, etwa wenn Wasseranlagen autark mit Solar betrieben werden sollen und direkt nebenan die passenden Ansprechpartnerinnen und -partner für Photovoltaik sitzen. Um es kurz zu machen: Alles ist fußläufig und Probleme können innerhalb kurzer Zeit gelöst werden.

Was sind Ihre Aufgaben als CEO des HIT-Campus?

Unsere Hauptaufgabe besteht eigentlich im Netzwerken. Das heißt, wir sind ständig unterwegs und unterhalten uns mit Gründerinnen und Gründern aus ganz Sachsen-Anhalt. Mein altes Netzwerk hilft dabei natürlich – denn die Gründungsszene bleibt an sich die Gleiche, egal ob sie gefördert oder privat unterstützt ist. Der große Unterschied zu früher ist jedoch, dass wir flexibler in der täglichen Arbeit agieren können, wir können direkt aktiv werden und in ein attraktives Start-up investieren. Wir sind also handlungsschneller und können auch mal intuitiv vorgehen. Gleichzeitig steigt auch das Risiko, mal danebenzuliegen.

Sie helfen Menschen dabei, erfolgreich kreativ zu sein. Müssen Sie dafür selbst kreativ sein?

Eigentlich geht es damit los, dass wir uns grundsätzlich alles anhören und uns keine Grenzen setzen. Unser Nachfolgetermin hat zum Beispiel mit eSports zu tun. Wo ist da die Verbindung zum HIT Campus, der sich ja eigentlich mit Health- und IT-Themen beschäftigt? Für uns geht es da eher um so eine Art Community-Building. Das sind junge, technikaffine Leute, die wir und die HASOMED gerne am Campus haben wollen. Welche konkrete Idee sich da hinter verbirgt, kann ich allerdings noch nicht verraten. Das bedeutet: Den Dreh zu Health- und IT bekommen wir eigentlich immer hin. Auch Wasseraufbereitung und Solarpanel-Recycling gehören streng genommen nicht zu unserem Suchfeld, aber das sind spannende Projekte und tragen indirekt ja auch zur allgemeinen Gesundheit bei. Es erfordert halt ein wenig Kreativität, die Verbindung herzustellen. Was unsere Arbeit grundsätzlich am HIT Campus auszeichnet, ist, dass Fehler erwünscht sind, solange man sich davon nicht entmutigen lässt.

Foto: Marco Warmuth