Viele Unternehmer kennen den Mehrwert ihres eigenen Produktes nicht

Interview mit Marketing-Experten und BESTFORM-Juror Prof. Dr. Marko Sarstedt

Marketing ist ein wesentlicher Baustein des Erfolges, sagt Prof. Dr. Marko Sarstedt, Lehrstuhlinhaber des Marketing-Lehrstuhls an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Und: Marketing ist mehr als nur Werbung. Warum es wichtig ist, auch Kreative ein Wörtchen mitreden zu lassen, wenn es um Produkte und Dienstleistungen geht und wie Kreative mehr in die Öffentlichkeit treten können, darüber sprachen wir mit dem Marketing-Experten, der auch zur Jury des Landeswettbewerbes BESTFORM 2015 gehört. 

Wie können Sachsen-Anhalts Kreative auch nach außen zeigen, was sie leisten können und für welche Qualität sie stehen?
ProfDrMarko Sarstedt:
Die Kreativen müssen aktiv die Öffentlichkeit suchen. Marketing ist kein Nice-to-have das nebenher mitläuft, sondern ein wesentlicher Baustein für den Erfolg des Unternehmens oder der Idee. Bei Kreativen ist das Verständnis für Marketingaktivitäten manchmal sehr schwach ausgeprägt. Sie haben oft eine gute Idee und machen sich jedoch wenig Gedanken darüber, wie man diese passend vermarkten kann. Marketing ist nicht nur Werbung, sondern hat die Aufgabe, den Mehrwert des Produkts oder der Dienstleistung gegenüber dem Kunden zu kommunizieren. 

Wie kann man aktiv die Öffentlichkeit suchen?
Beispielsweise durch Wettbewerbe wie BESTFORM. Diese sind genau die richtigen Vehikel, um auf die eigene Idee aufmerksam zu machen. Angefangen bei Wettbewerbsteilnahmen bis hin zu ersten Erfolgen wie dem Sprung auf die Shortlist sollte alles kommuniziert werden. Dies kann über Facebook oder Webseiten geschehen, ohne großes Budget, welches ja in der Regel knapp bemessen ist. Es lohnt sich zunächst in kleinen Schritten zu denken. Wenn dann mehr Geld vorhanden ist, sollte man allerdings auch ein Marketingbudget definieren. 

Wie kann man Unternehmen, die nicht der Kreativbranche zuzuordnen sind, erklären, was dieser Wirtschaftszweig beinhaltet?
Gerade die Kreativwirtschaft ist extrem breit gefasst. Alles, was sich mit Kultur, mit kreativem Schaffen auseinandersetzt, gehört dazu. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei aber vor allem, dass die Branche nicht ausschließlich erfolgs- und erwerbswirtschaftlich orientiert ist.

Woran liegt es, dass sich immer noch zu wenig Unternehmen Kreative ins Boot holen?
Viele Unternehmen verkennen, was an ihren Produkten und Dienstleistungen den Wert für den Kunden schafft. Eine hohe Qualität, ein gutes Preis-Leistungsverhältnis oder ein exzellenter Service reichen nicht aus. Die Produkt- oder Serviceelemente, welche am Ende tatsächlich den Mehrwert für den Kunden bringen, sind häufig andere. Oftmals ist es das Design denn eine ausgeprägte Designorientierung ist mittlerweile in fast allen Kundengruppen vorhanden, übrigens auch im Business-to-Business-Bereich also zwischen Unternehmen, und nicht nur im Konsumgütermarketing. Zudem ist die Inszenierung von Produkten wichtig. Ein gutes Beispiel dafür ist Nespresso. Die stellen Kaffeekapseln her – eigentlich kein spannendes Produkt, aber das Unternehmen inszeniert es exzellent. Dies betrifft nicht nur das Produktdesign, sondern beispielsweise auch die Ausgestaltung der Kommunikations- und Distributionskanäle. Nespresso bietet eben nicht einfach nur Kaffee an, sondern schafft ein umfassendes Konsumerlebnis. Um solche Erlebnisse konsequent aufzubauen, bedarf es den Input der Kreativindustrie, denn Kreative geben wichtige, oftmals unkonventionelle Denkanstöße und tragen damit erheblich zum Markterfolg bei.

Wie sehr ändert sich das Berufsbild eines Kreativen?
Es wird wohl in die Richtung einer stärkeren Spezialisierung gehen, denn die Bedürfnisse der Konsumenten werden immer differenzierter. Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung, dass diese Bedürfnisse stets passgenau befriedigt werden, ein Megatrend, den wir auch als Egonomics bezeichnen. Demnach müssen Unternehmen, aber auch die Kreativen, passgenau funktionieren – nicht nur bei der Idee, sondern auch bei der Vermarktung. Dies geht in der Regel nicht ohne starken Industriepartner. Natürlich gibt es auch Ausnahmen in Form von Alleinkämpfern in der Kreativszene. Als One-stop-shop müssen diese dann aber in der Lage sein, die Idee vorzubringen, sie anzupassen, zu vermarkten und ein Business Case zu stricken – also prognostizieren können, was auf dem Markt mit dem Produkt unter jeweiligen Bedingungen passieren wird. Dies wird bei immer größerem Wettbewerb aber zunehmend schwieriger.