Kettenlos mit viel Antrieb

Designer Martin Wiesner entwickelte ein Fahrrad, das aus dem Rahmen fällt

Der Magdeburger Designer Martin Wiesner hat sich 2013 beim ersten BESTFORM Wettbewerb 2013 gemeinsam mit einem Wirtschaftspartner mit dem Projekt „kettenloses Fahrrad“ beworben. Er konnte zwar keinen Award mit nach Hause nehmen, aber die Nominierung brachte allein viel in Schwung. Wir fragten, wie es damals war und wie das Fahrrad-Projekt weiter in Schwung kam.

Sie haben 2013 für die Mifa an einem Fahrrad mitgetüftelt, das ohne Kettenantrieb auskommt: Worin bestand die größte Herausforderung?
Martin Wiesner:
Das Fahrrad kommt ohne Kette aus, da die Energieübertragung rein elektrisch funktioniert. Die größte Herausforderung bestand also sicherlich in der Entwicklung der innovativen Elektronik dieses Elektrofahrrads. Zum Zeitpunkt meines Eintritts in das Projekt, war hier schon ein Prototyp vorhanden, mit dem gezeigt werden konnte, dass dies prinzipiell sehr gut funktioniert. Die Elektronik hat die IAI GmbH aus Wernigerode realisiert. Ein weiterer wichtiger Projektpartner ist die IKAM GmbH. Über Herrn Schünemann von IKAM kam dann auch der Kontakt zu mir zu Stande. Es gab nämlich auch eine gestalterische Herausforderung. Diese lag darin alle Komponenten zu verkleinern und gestalterisch in einen Fahrradgrundkörper zu integrieren. Der Akku, der mit seinem großen Volumen zunächst ein Fremdkörper ist, musste integriert werden. Hinzu kommt auch noch eine umfangreiche Steuerungselektronik, die gekühlt und geschirmt werden muss. Das wir es geschafft haben insgesamt ein harmonisches Erscheinungsbild mit einer hochwertigen und schlanken Anmutung zu erreichen und dabei alle technischen Schwierigkeiten zu meistern und auf Leichtbau zu achten, das war schon eine große Herausforderung. 

Mit dem Projekt haben Sie sich auch beim Landeswettbewerb BESTFORM beteiligt. Was war dafür der Antrieb?
Als junger Designer ist es natürlich wichtig einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erreichen, um an Aufträge zu kommen. Eine Veröffentlichung im Rahmen eines Wettbewerbs, die im besten Fall auch ausgezeichnet wird, das ist natürlich eine großartige Werbung. Und natürlich will man auch gewinnen, das ist ja klar.

Sie gehörten damals gemeinsam mit Ihrem Partnerunternehmen zu den Nominierten. Wie konnten Sie davon profitieren?
Ich finde es toll, dass auch die Nominierten gewürdigt werden. Man erhält als Nominierter ein Logo mit dem man beispielsweise auf der eigenen Homepage werben kann. Darüber hinaus hat es den Partnerunternehmen gezeigt, dass das Design als gelungen angesehen wird. Daneben ist auch der eben schon angesprochene Effekt eingetroffen. Ich konnte durch diesen Wettbewerb sehr gut auf mich und meine gestalterischen Fähigkeiten aufmerksam machen.

Wie ist es mit dem kettenlosen Fahrrad weitergegangen?
Inzwischen ist aus dem Designmodell, das ich entworfen habe ein fahrfertiges E-Bike geworden, mit dem wir auch schon einige Runden gedreht haben. Es macht wirklich glücklich zu sehen, wie aus dem Entwurf nun ein reales Produkt geworden ist. Und so viel kann man schon verraten: es fährt sich wirklich spitzenmäßig. Ich hatte ein breites Grinsen im Gesicht als ich damit gefahren bin. Für alle Interessierten wird das Rad Mitte April auf der Hannover Messe zu sehen sein.

Wie genau funktioniert das Fahrrad?
Wo bisher das Tretlager war, erzeugt nun ein Generator beim Treten elektrische Energie. Durch ein zweistufiges Planetengetriebe erfolgt diese Umwandlung mit einem hohen Wirkungsgrad. Nun kann man als Nutzer einfach per Smartphone – oder auch per Regler – einstellen, wie hoch der Unterstützungsgrad sein soll. Die Energie hierfür kommt aus dem Akku. Die gesamte Energie wird zielgerichtet zum Motor an der Hinterachse geführt. Über eine Steuerungselektronik wird das System so geregelt, dass sich das Treten in den Generator nicht ungewohnt anfühlt. Man tritt nicht ins Leere. Im Gegenteil das Fahren fühlt sich sehr direkt an. Wenn man in die Pedale tritt, dann kommt die Kraft direkt am Hinterrad an. Wohlgemerkt mit einer deutlichen Unterstützung. Ganz nebenbei  kann man mit diesem Rad elektrounterstützt ohne Probleme 45 km/h fahren ohne allzu sehr ins Schwitzen zu geraten. Das Fahrrad schaltet übrigens auf Wunsch stufenlos in einen optimalen Gang. Auch um die Wartung einer Kette muss man sich nie wieder Sorgen machen.

Wird es bald auf dem Markt zu haben sein?
Ich denke, das wird in nicht allzu ferner Zukunft der Fall sein. Allerdings liegt die Entscheidung dazu natürlich absolut nicht an mir, sondern bei Mifa. Es gibt auf jeden Fall schon einige Interessenten. 

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Mifa, Ihrem Wirtschaftspartner?
Zunächst musste ich der Mifa und den weiteren Partnern erst einmal zeigen, dass sie mit mir den richtigen Partner gefunden haben. Ich habe mir zunächst ganz genau angesehen wie der damals vorhandene Prototyp aufgebaut ist und habe daraus Verbesserungspotentiale für die Gestaltung abgeleitet. Das hat gefallen, auch wenn manche Begriffe, wie Formensprache für manche Beteiligten zunächst neu waren. Nach dem das Eis dann gebrochen war, erfolgten alle weiteren Meetings sehr harmonisch. 

An welchen Projekten tüfteln Sie derzeit?
Seit Mai 2013 bin ich an der OvGU angestellt. Es gibt hier einen kleinen Lehr- und Forschungsbereich Industriedesign. Ich gebe einige Übungen sowie eine Grundlagenvorlesung zum Industriedesign im Masterstudiengang Integrated Design Engineering. Das macht sehr viel Spaß. Die Masterstudierenden lernen bei uns alle wichtigen Disziplinen der Produktentwicklung und wenden diese in interdisziplinären Projekten direkt an. Natürlich ist das Industriedesign ein essentieller Teil davon. Im Moment pausiere ich allerdings. Mein größtes Projekt ist im Moment Papa zu sein. Anfang Februar hat unsere kleine Tochter Veronika das Licht der Welt erblickt. Im Rahmen eines Projekts an unserem Lehrstuhl habe ich aber auch schon wieder mit der Mifa zusammengearbeitet, dabei geht es auch wieder um Elektromobilität, diesmal für Rollstuhlfahrer.