Ein bisschen Verrücktsein, bitte!

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Dekan Prof. Nicolai Neubert von der Hochschule Anhalt über Ansichten von und über die Kreativen im Land

Sie gelten oft als ein wenig durchgedreht und nicht ganz zuverlässig. Zu den Kreativen finden viele Unternehmen einfach nicht den richtigen Zugang. Das Bild von der Kreativwirtschaft ist überholt, sagt Prof. Nicolai Neubert. Und die frischen Ideen der Branche sind genau das, was Firmen einen langen Erfolg am Markt sichert. Der Dekan des Fachbereiches Design an der Hochschule Anhalt spricht über steinige Wege, Leidenschaft und warum unbequeme Fragen wichtig für die Unternehmenskultur sind.

Was macht eigentlich ein Designer?
Wir Designer sind im weitesten Sinne Kulturschaffende und arbeiten an der Verbesserung der Lebensqualität. Design ist oft von außen nicht erkennbar, sondern beschreibt häufig auch eine bestimmte Denk- und Arbeitsweise. Die wird nicht unbedingt in einem Ergebnis sichtbar, sondern im Arbeitsprozess.

Wie sollte man gestrickt sein, um in Ihrem Fachbereich erfolgreich zu sein? Kann man Kreativität lernen?
Es gibt Methoden, um Kreativität zu befördern. Aber gänzlich unkreative Menschen kann man nicht zu Genies machen. Im Wesentlichen sind es Sekundärtugenden, die man mitbringen sollte: Neugier, Begeisterungsfähigkeit, Hartnäckigkeit, Leidenschaft und die Ausdauer beim Verfolgen eines Zieles. Alle technischen und handwerklichen Voraussetzungen sind erlernbar. Bei unserem integrierten Designmodell sollte man die unbedingte Bereitschaft haben, über den Tellerrand zu schauen und Grenzen zu überschreiten.

Mit welchen Aufgaben kommen Unternehmer zu Ihnen in die Hochschule?
Die Bedürfnisse variieren je nach Unternehmensgröße. Kleine und mittelständische Unternehmen fragen nach ganz gezielten Gestaltungsdienstleistungen für ein Bauteil oder ein Produkt, das sie direkt umsetzen und vermarkten können. Natürlich vermeiden wir als Hochschulen, in Konkurrenz zu Designbüros vielleicht sogar zu eigenen Absolventen zu treten, das ist tabu. Aber meist wird der Fachbereich als Kreativpool angesehen. Unternehmen suchen Perspektiven für ein Geschäftsfeld oder wollen mit den Studierenden gemeinsam Konzepte entwickeln.

Können Unternehmen von der Zusammenarbeit mit Kreativen profitieren?
Auf jeden Fall. Wer mit Kreativen zusammenarbeitet, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil – und ich führe das quer durch alle Branchen, egal, ob wir über eine Spielsoftware, eine Parkbank oder eine Plakatkampagne reden. Designer sind es gewohnt, in Entwicklungsprozessen zu denken und Innovationen zu produzieren. Schema-F-Lösungen sind nicht ihr Ding, ganz oft sind Designentwicklungen auch angewandte Forschung. Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein möchten, müssen einfach den steinigen Weg gehen und sich hinterfragen lassen. Das geht besser, wenn man Kreative im Boot hat.

Ist Sachsen-Anhalt ein Land, in dem Kreative arbeiten möchten?
Oft arbeiten Designer und andere Kreative dort, wo ihre Auftraggeber ansässig sind, kurze Wege sind gut. Genauso kann man aber sagen, Designer arbeiten gern dort, wo sie günstige Arbeitsbedingungen vorfinden. Dazu zählen Inspirationen, die die kreative Arbeit befördern, eine angenehme Lebensweise, und auch günstige Mieten. Genau das passiert bei uns in den letzten fünf bis sieben Jahren. Es kommt etwas in Gang. So langsam lassen sich die Absolventen nach ihrem Studium gleich hier im Land nieder, gründen Büros, Agenturen und Firmen. So soll es sein.

Kreative gelten häufig als Verrückte. Wie sehen Sie das?
Kreative sind ein bisschen anders. Dafür werden sie bezahlt. Das Anderssein ist wichtig, weil man neue Impulse geben muss. Das ist mit Nachdenken und Position beziehen verbunden. Entwicklungsprozesse sind selten geradlinig und selten ist die erste Lösung die beste. Um ein gutes Produkt zu entwickeln, muss man sich reiben, eine Auseinandersetzung führen.

 Gibt es positive Beispiele für die Zusammenarbeit von Industrie und Designern?
Design wird schon lange als Marketingfaktor angesehen. Es gibt Unternehmen, die sammeln Designer wie Bodenvasen. Der Designer wird als Marketingfaktor verwendet. Das ist eine sehr vordergründige Betrachtungsweise. Es gibt auch viele kleine und mittelständische Unternehmen, die seit vielen Jahrzehnten mit Designern zusammenarbeiten und eine fast partnerschaftliche Beziehung pflegen. Sie sind gemeinsam gewachsen, haben die Produktpalette oder die Corporate Identity des Unternehmens entwickelt. So eine Zusammenarbeit funktioniert aber nur, wenn sie von Vertrauen und Respekt getragen wird. Es gibt viele prominente Beispiele, die diese Unternehmenskultur dokumentieren. Für mich sind hier immer wieder beispielhaft Unternehmen wie Wilkhahn, Lamy, ERCO oder FSB, die das schon vielen Jahrzehnte durchhalten. Designer haben diesen Unternehmen Produkte und ein Gesicht gegeben, die Kommunikation und die Werbung geprägt.

 

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